Walden Ein Leben mit der Natur
habe ich mir die Finger durch einen wirklichen Ankauf verbrannt. Einem wirklichen Ankauf am nächsten kam ich, als ich die Hollowell-Farm in Erwägung zog.
Damals hatte ich bereits begonnen, das Saatgut zu sortieren und Material zur Anfertigung eines Schubkarrens zu sammeln, um es mit diesem aufs Feld hinauszufahren. Aber noch ehe es zum Vertragsabschluß kam, besann sich des Besitzers Weib -
jeder Mann hat ein solches Weib - eines besseren und wollte die Farm behalten; also bot er mir zehn Dollar als
Entschädigung an. Um die Wahrheit zu sagen, besaß ich
damals nicht mehr als zehn Cent, und es überstieg meine Arithmetik, herauszufinden, ob ich derjenige sei, der zehn Cent, eine Farm, zehn Dollar oder alles zusammen besaß. Natürlich ließ ich ihm die zehn Dollar und die Farm dazu, denn ich war diesmal weit genug gegangen; besser gesagt - ich verkaufte ihm die Farm aus Großherzigkeit für genau das, was ich dafür ausgegeben hatte, und machte ihm, da er kein reicher Mann war, die zehn Dollar zum Geschenk. Mir blieben dabei immer noch meine zehn Cent, das Saatgut und das Material für den Schubkarren. Auf diese Art war ich ein reicher Mann, ohne an meiner Armut Einbuße zu leiden. Die Landschaft blieb mir ja, und was sie mir gab, habe ich seither Jahr für Jahr ohne
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Schubkarren davongetragen. Was Landschaften betrifft, so kann man sagen:
»Ich bin Herrscher, soweit mein Auge reicht,
Kein Mensch wird mir mein Recht bestreiten.«
Oft habe ich einem Dichter zugesehen, der sich davonstahl, nachdem er sich am Kostbarsten der Farm gelabt hatte,
während der rauhbeinige Bauer dachte, er wäre nur mit einigen wilden Äpfeln entwischt. Aber viele Jahre lang wird der Besitzer nicht wissen, daß der Dichter um seine Farm Verse gesponnen hat, ein unsichtbarer Zaun der schönsten Art; er hat sie gänzlich in Besitz genommen, hat sie gemolken, den Rahm abgeschöpft, hat die Sahne behalten und dem Bauern nur die entrahmte Milch gelassen.
Die wahren Vorzüge der Hollowell-Farm waren für mich: ihre völlige Abgeschiedenheit - sie war ungefähr zwei Meilen vom Dorf entfernt, eine halbe Meile vom nächsten Nachbarn und durch ein großes Feld von der Landstraße getrennt -; ihr Anschluß an den Fluß, der, so sagte mir der Besitzer, vor dem Nebel schützte, der im Frühling durch den Frost entstand -
wenngleich mir das nicht viel bedeutete; die graue Farbe, der verfallene Zustand von Haus und Hütte und die baufälligen Zäune, die von einem großen Abstand zwischen mir und den letzten Bewohnern zu zeugen schienen; die hohlen, mit
Flechten bewachsenen Apfelbäume, von Hasen angenagt, die mir verrieten, wer meine zukünftigen Nachbarn sein würden; vor allem aber die Erinnerungen an die Farm von meinen
frühesten Reisen flußaufwärts, als das Haus von einem dichten Hain roter Ahornbäume verborgen wurde, durch welchen ich den Hofhund bellen hörte. Ich wollte es eilends kaufen, noch bevor es dem Besitzer gelang, Steine zu entfernen, die hohlen Apfelbäume zu fällen und die jungen Birken auszugraben, die auf der Weide gewachsen waren, kurz, bevor er noch
irgendwelche Verbesserungen durchführen konnte. Um diese Vorzüge zu genießen, war ich bereit, die Farm zu übernehmen.
Wie Atlas wollte ich die Welt auf meinen Schultern tragen - ich habe nie davon gehört, welchen Lohn er dafür erhielt - und all die Dinge tun, für die es keine andere Begründung oder
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Rechtfertigung gab, als daß ich dafür bezahlen und ungestört meinen Besitz genießen wollte; denn die ganze Zeit wußte ich, daß ich von den Früchten, die ich begehrte, reichlich ernten würde, wenn ich mir nur leisten konnte, alles brachliegen zu lassen. Aber schließlich ergab es sich so, wie ich beschrieben habe.
Alles, was ich daher bezüglich Landwirtschaft im großen Stil sagen konnte (einen Garten habe ich immer kultiviert), war, daß ich meine Saat bereit hatte. Viele glauben, daß sich die Saat mit der Zeit verbessere. Ich bezweifle nicht, daß die Zeit das Gute vom Schlechten sondert: sollte ich also wirklich einmal dazu kommen zu säen, werde ich wahrscheinlich weniger
enttäuscht. Meinen Freunden aber möchte ich ein für allemal raten: Lebt frei und ungebunden solange wie möglich. Es macht nicht viel Unterschied, ob ihr an einen Bauernhof gebunden seid oder an ein Gefängnis.
Der alte Cato, dessen ›De re rustica‹ für mich das Vademekum darstellte, sagt (die einzige offizielle Übersetzung dieser Passage, die ich kenne,
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