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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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wie ein hoch oben liegen der Bergsee, sein Grund weit oberhalb des Wasserspiegels anderer Seen.
    Ging dann die Sonne auf, warf er sein dichtes Nebelgewand ab, und allmählich sah ich da und dort sanft gekräuselte Wellen oder seine spiegelglatte Oberfläche zum Vorschein kommen, während sich die Nebelfetzen wie Gespenster nach einer
    nächtlichen Versammlung verstohlen ringsum in die Wälder zurückzogen. Ja, selbst der Tau schien hier länger auf den Bäumen zu haften als sonstwo - wie auf Berghängen.
    Dieser kleine See war mir eine besonders willkommene
    Nachbarschaft zwischen den leichten Gewitterschauern im August, wenn Luft und Wasser vollkommen reglos lagen und der bedeckte Himmel schon am späteren Nachmittag die
    heitere Ruhe des Abends annahm, die Walddrossel schlug und von einem Ufer zum anderen zu hören war. Nie ist ein
    Gewässer glatter als um diese Zeit, wenn die klare, nicht sehr hohe Region der Luft von Wolken verdunkelt ist und das
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    Wasser mit all seinen Lichtreflexen zu einem tiefer gelegenen Himmel wird, der nur um so gewaltiger wirkt. Von einer Anhöhe in der Nähe, wo erst vor kurzem abgeholzt worden war, hatte man eine liebliche Aussicht über den See nach Süden. Dort ließ der tiefe Einschnitt zwischen zwei Hügelhängen, welche das Ufer bildeten, einen Strom vermuten, der vom See aus ein waldiges Tal durchfloß; doch diesen Strom gab es nicht. In jener Richtung sah ich zwischen und über den grünen Hügeln bläulich getönte, höhere Berge in der Ferne. Und stellte ich mich auf die Zehen, so konnte ich sogar die noch blaueren, weiter entfernten Gipfel der Gebirgsketten im Nordwesten ausmachen, blau schimmernde Silberlinge des Himmels
    eigener Münze; dazu noch einen Teil des Ortes. Nach allen anderen Richtungen aber vermochte ich selbst von hier aus nicht über die mich rings umgebenden Wälder hinauszusehen.
    Es ist angenehm, Wasser in seiner Umgebung zu haben. Es verleiht der Landschaft Auftrieb. Selbst ein Blick in die kleinste Quelle erinnert noch daran, daß die Erde nicht kontinentalen, sondern Inselcharakter hat. Und das ist ebenso wichtig wie die Tatsache, daß man die Butter darin kühlen kann. Wenn ich von dieser Anhöhe aus über den See zu den Sudbury-Wiesen
    hinüberblickte, welche in Flutzeiten, vielleicht durch eine Luftspiegelung des dampfenden Tales, höher zu liegen
    schienen, dann machte das Land dort drüben den Eindruck einer dünnen Erdschicht, die von der schmalen Wasserfläche umspült, ja, von ihr getragen wurde, wie bei einer Münze in einem Wasserbecken. Und das erinnerte mich daran, daß ich festen Boden unter den Füßen hatte.
    Obgleich die Aussicht von meinem Haus noch begrenzter war, fühlte ich mich nicht im geringsten eingeengt. Es gab genug Weidegründe für meine Phantasie. Das niedere, mit
    Zwergeichen bewachsene Plateau, zu dem das
    gegenüberliegende Ufer anstieg, erstreckte sich gegen die Prärien des Westens und von dort bis zu den Steppen der Tartarei - genügend Raum für alle umherwandernden
    Menschenkinder. »Nur jene sind glücklich auf dieser Welt, die sich ungebunden eines weiten Horizonts erfreuen«, sagte
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    Damodara, als seine Herden neuer und größerer Weidegründe bedurften. Ort und Zeit hatten sich für mich geändert, und ich lebte nun näher bei jenen Gegenden des Universums und
    jenen Epochen der Geschichte, die mich von jeher in ihren Bann gezogen hatten. Mein Wohnort war so entlegen wie
    manch eine Region, die Astronomen nachts betrachten. Wir neigen dazu, uns die seltensten und erquickendsten
    arkadischen Flecken in irgendeinem entlegenen und
    göttlicheren Winkel des Weltalls vorzustellen, hinter dem Sternbild der Kassiopeia, weit weg von Lärm und Unruhe. Ich entdeckte, daß mein Haus tatsächlich in einer solchen
    abgelegenen, doch ewig neuen und jungfräulichen Gegend des Universums stand. Wenn es die Mühe lohnte, sich in der Nähe des Siebengestirns und der Hyaden, des Aldedarans oder des Atairs niederzulassen, so wäre ich wirklich dort oder in ähnlicher Abgeschiedenheit von dem Leben, das ich hinter mir gelassen hatte. Als glitzernder Punkt am Firmament würde ich meinen feinen Lichtstrahl zum nächsten Nachbarn schicken und wäre nur in mondlosen Nächten für ihn sichtbar. So verhielt es sich mit dem Teil der Schöpfung, wo ich mich
    niedergelassen hatte:
    »Ein Hirt ließ seine Gedanken so hoch schweifen –
    wie die Berge, auf denen seine Herden weiden.«
    Was sollten wir von dem Leben eines Hirten

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