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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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wilder Drache es in eine neue Mythologie eingehen wird, das weiß ich nicht), dann scheint es, als habe die Erde nun ein Geschlecht hervorgebracht, das würdig ist, sie zu bewohnen. Wenn nur alles so wäre, wie es scheint, und die Menschen sich die Elemente zu edlen
    Zwecken unterwürfen! Wenn die Wolke, die über der
    Lokomotive hängt, vom Schweiße heldenhafter Taten zeugte, oder so fruchtbar wäre, wie die, die über des Farmers Felder zieht, dann würden die Elemente und die Natur selbst die Menschen freundlich bei ihren Aufgaben unterstützen und ihnen zur Seite stehen.
    Ich blicke nach der vorbeifahrenden Morgenbahn mit dem
    gleichen Gefühl wie nach der aufgehenden Sonne, die kaum pünktlicher ist. Der Zug ihrer Wolken dehnt sich weit nach hinten aus und fährt höher und höher in den Himmel, während die Waggons nach Boston fahren; für einen Moment verbirgt er die Sonne und wirft einen Schatten auf mein abgelegenes Feld, ein himmlischer Zug, neben dem der kleine Zug, der sich an die Erde schmiegt, nur der Widerhaken des Speeres ist. Der
    Stallknecht des Eisenpferdes ist an diesem Wintermorgen mitten in den Bergen aufgestanden, um sein Schlachtroß im Licht der Sterne zu füttern und anzuschirren. Auch das Feuer wurde früh geweckt, um in ihm die Lebenswärme zu entfachen und es anzutreiben. Wäre das Unterfangen nur auch so
    unschuldig wie der frühe Morgen! Wenn der Schnee tief ist, schnallen sie ihm die Schneeschuhe an, und mit einem riesigen
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    Pflug pflügen sie eine Furche von den Bergen bis zur Küste, in der die Waggons wie angehängte Sämaschinen all die
    rastlosen Menschen und umlaufenden Handelsgüter auf das Land ausstreuen. Den ganzen Tag fliegt das Feuerroß über das Land, es hält nur an, damit sein Herr sich ausruhen kann, und auch um Mitternacht weckt mich sein trotziges Stampfen und Schnauben, wenn es sich, von Eis und Schnee eingeschlossen, in einer fernen Bergschlucht in den Wäldern den Elementen entgegenstellt; seinen Stall wird es erst mit dem Morgenstern erreichen, um abermals ohne Schlaf und Unterlaß zur
    Weiterreise anzutreten. Manchmal höre ich es am Abend in seinen Ställen die überschüssige Energie des Tages
    ausblasen, um seine Nerven zu beruhigen und Hirn und Leber mit ein paar Stunden eisernen Schlafes zu kühlen. Wäre das Unterfangen doch nur so hehr und heldenhaft, wie es
    aufwendig und unermüdlich ist!
    Weit durch die einsamen Wälder jenseits der Stadtgrenzen, wohin einst nur tags die Jäger drangen, schießen in dunkelster Nacht die hellerleuchteten Salonwagen, ohne daß ihre
    Passagiere davon wissen. Nun halten sie an einem strahlenden Bahnhof in einem Ort oder einer Stadt, wo eine gesellige Menge versammelt ist, im nächsten Augenblick im Finsterwald, wo sie die Eule und den Fuchs erschrecken. Die Ankunft und die Abfahrt der Züge sind zu den Gezeiten der Stadt geworden.
    Sie kommen und gehen mit solcher Regelmäßigkeit und
    Präzision, und ihr Pfeifen ist so weit zu hören, daß die Farmer ihre Uhren danach stellen, und also reguliert eine
    strenggeführte Einrichtung ein ganzes Land. Haben sich die Menschen nicht hinsichtlich Pünktlichkeit gebessert, seit die Eisenbahn erfunden wurde? Sprechen und denken sie nicht schneller auf dem Bahnhof als früher an den Kutschenposten?
    Es ist etwas Elektrisierendes in der Atmosphäre des Bahnhofs.
    Die Wunder, die er vollbringt, beeindrucken mich. Einige meiner Nachbarn zum Beispiel, von denen ich nie gedacht hätte, daß sie es schaffen, stehen pünktlich bereit, wenn die Glocke zur Abfahrt nach Boston läutet. Heute verrichtet man die Dinge in
    »Eisenbahnmanier«, wie hier das Schlagwort heißt. Dabei hat
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    es auch sein Gutes, von einer Stelle so oft und eindringlich davor gewarnt zu werden, ihr aus dem Weg zu treten. In
    diesem Fall hält niemand inne, die letzte Warnung zu verlesen oder noch Warnschüsse abzugeben. Wir haben uns ein
    Schicksal geschaffen, eine Göttin Atropos, die sich niemals abwendet. (So sollte die Lokomotive heißen.) Den Menschen wird mitgeteilt, daß zu einer bestimmten Stunde und Minute diese Pfeile nach bestimmten Punkten des Kompasses
    abgeschossen werden; und doch wird keines Mannes Geschäft dadurch gestört, und die Kinder nehmen einen anderen Weg zur Schule. Wir leben um so unerschütterlicher. So lernen wir, Söhne Wilhelm Teils zu sein. Unser Leben wird dafür immer stetiger. Die Luft ist voller unsichtbarer Pfeile. Jeder Weg, außer dem eigenen, kann der Weg des

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