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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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westwärts über den See, dann war man gezwungen, beide Hände vor die Augen zu halten, um sie nicht nur vor der echten, sondern auch vor der reflektierten Sonne zu schützen, da beide gleich hell strahlten. Und wenn man
    zwischen den beiden Händen das Wasser ins Auge faßte, dann war es buchstäblich glatt wie Glas. Nur wo die Wasserläufer darüber hinliefen, wo eine Ente ihr Gefieder putzte oder eine Schwalbe so niedrig flog, daß sie, wie ich schon sagte, die Wasserfläche berührte, sprühte in der Sonne der feinste Funkenstaub auf. Zuweilen schnellte in der Ferne ein Fisch in meterhohem Bogen durch die Luft, und wo er aus dem Wasser heraus- und wieder in dieses hineintauchte, blitzte es hell auf; manchmal glänzte auch der ganze Bogen silbern. Hie und da schwamm ein wenig Distelwolle auf dem Wasser, nach der die Fische schnappten, wobei sich die Oberfläche gleichfalls leicht kräuselte. Sie war wie geschmolzenes Glas, das erkaltet, aber noch nicht erstarrt ist, und die wenigen Unregelmäßigkeiten darin wirkten rein und schön wie die Unvollkommenheiten des Glases. Oft wird man eines noch glatteren und dunkleren Wassers gewahr, das wie durch ein feines Spinngewebe vom Rest des Wassers abgetrennt ist und den Wassernymphen als Ruheinsel dient. Von einem Hügel aus konnte man fast auf der ganzen Wasserfläche die Fische springen sehen; denn kein Hecht, kein Weißfisch konnte nach einem Insekt auf der glatten Fläche schnappen, ohne das Gleichgewicht des ganzen Sees zu stören. Es ist großartig, mit welcher Unfehlbarkeit diese einfache Tatsache bekanntgegeben wird, dieser Mord im
    Wasser an den Tag kommt. Von meinem entfernten
    Beobachtungsposten aus kann ich die Wellenkreise noch
    wahrnehmen, wenn sie sich hundert Fuß weit ausgedehnt
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    haben. Ich kann eine Wasserwanze (Gyrinus) aus einer viertel Meile Entfernung über die glatte Wasserfläche herankommen sehen, denn sie hinterläßt eine deutliche, von zwei
    auseinanderlaufenden Linien begrenzte Furche, während die Wasserläufer ohne sichtbare Spuren über die Fläche gleiten. Ist die Wasserfläche bewegt, sind weder Wasserläufer noch
    Wasserwanzen zu sehen; an ruhigen Tagen aber scheinen sie ihre Häfen zu verlassen, stoßen in kühnen Sätzen vom Ufer vor, bis sie den ganzen See bedecken. Welch wohltuende
    Beschäftigung ist es doch, an einem dieser schönen
    Herbsttage, wenn man die ganze Wärme der Sonne auskosten kann, auf einem Baumstumpf zu sitzen, den See zu überblicken und die Wellenkreise zu beobachten, die sich ohne Unterlaß auf der ansonsten unsichtbaren Wasserfläche zwischen den Spiegelungen von Himmel und Bäumen abzeichnen. Es gibt auf der weiten Fläche keine Störung, die nicht sofort wieder sanft geglättet in Ruhe überginge, so wie das Wasser in einer Vase nach einem Stoß in bebenden Kreisen an deren Rand verläuft und sich wieder glättet. Kein Fisch taucht auf, kein Insekt fällt in den See, ohne daß es sich sofort in weiten Kreisen, in Linien voller Schönheit weiterverbreitet, als quelle von seinem Grunde herauf ständig der sanfte Pulsschlag des Lebens, als hebe und senke sich seine Brust. Die Erschütterungen des Glücks und des Schmerzes sind nicht unterscheidbar. Wie friedlich sind die Erscheinungen auf dem See! Die Werke der Menschen strahlen wieder wie im Frühling. Ach, jedes Blatt, jeder Zweig, jeder Stein und jedes Spinnennetz glitzert jetzt mitten am
    Nachmittag, als bedecke es der Tau eines Frühlingsmorgens.
    Jede Bewegung eines Ruders oder eines Insekts erzeugt einen Lichtblitz; und wenn das Ruder aufschlägt, wie süß das Echo!
    An einem solchen Tag im September oder Oktober ist der
    Waldensee ein vollkommener Spiegel des Waldes, eingefaßt mit Steinen, die mir so kostbar sind wie edlere oder seltenere Stücke. Nichts auf der Erde ist so hell und rein und zugleich so weit wie ein See. Himmelswasser! Es bedarf keines Zaunes.
    Völker kommen und gehen, ohne es zu beflecken. Es ist ein Spiegel, den kein Stein zertrümmern kann, dessen
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    Quecksilberbelag sich nie abnützt, dessen Vergoldung die Natur ständig erneuert; kein Sturm, kein Staub können seine ewig reine Oberfläche trüben; - ein Spiegel, in dem alles Unreine zu Boden sinkt, den der Sonne Nebelbürste fegt und entstaubt - dies lichte Staubtuch -, an dem kein Hauch haften bleibt, der sich darauf niederschlägt, der vielmehr seinen eigenen Hauch hoch über sich emporsendet, um ihn als Wolke droben schweben zu lassen, die sich in seiner

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