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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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Jahren fast täglich gesehen hätte: Sieh an, das ist ja der Waldensee! Der gleiche Waldsee, den ich vor so vielen Jahren entdeckte. Wo im letzten Winter ein Wald abgeholzt wurde, schießt ein neuer so kraftvoll wie eh und je aus dem Boden am Ufer. Der gleiche Gedanke wie damals steigt zu seiner Oberfläche auf. Er ist für sich selbst und seinen Schöpfer dieselbe flüssige Freude und Heiterkeit, ach, und vielleicht auch für mich. Er muß das Werk eines mutigen Mannes sein, der ohne Arglist war! Mit der Hand formte er dieses Wasser, vertiefte und läuterte es in seinen Gedanken und vermachte es schließlich Concord. Ich sehe an seinem Gesicht, daß ihn der gleiche Gedanke beschäftigt; und fast möchte ich fragen: Walden, bist du es?
    »Mein Wunsch ist nicht
    Ein kunstvolles Gedicht;
    Gott und Himmel kann ich nicht näher kommen,
    Als am Waldensee zu wohnen.
    Ich bin das steinige Ufer, das ihn umgibt,
    Und der Wind, der über seine Fläche zieht;
    In meiner hohlen Hand
    Sind sein Wasser und sein Sand,
    Und seine tiefste Höhle
    Liegt hoch in meiner Seele.« Die Züge halten niemals inne, ihn zu betrachten. Und doch glaube ich, daß die Lokomotivführer, Heizer und Bremser, und auch die Reisenden mit Dauerkarte,
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    die ihn oft passieren, allein durch seinen Anblick bessere Menschen sind. Am Abend vergißt der Lokomotivführer im
    Innersten seines Wesens nicht, daß er wenigstens einmal am Tag ein Bild der Heiterkeit und Reinheit erblickt hat. Ein Blick allein genügt, State Street und Maschinenöl wegzuspülen. Man sollte den See »Gottestropfen« nennen.
    Ich sagte, daß der Waldensee keinen sichtbaren Zu- und
    Abfluß besitzt, doch steht er auf einer Seite entfernt und indirekt durch eine Kette kleiner Seen und Teiche mit dem etwas
    höhergelegenen Flintsee in Verbindung, auf der anderen durch eine ähnliche Seenkette direkt mit dem Concordfluß, der niedriger liegt. Alle diese Seen hatte er vielleicht in einem anderen geologischen Zeitabschnitt einmal durchflossen, und es bedürfte nur einer geringfügigen Grabung - die Gott verhüten möge! -, um diesen Zustand wieder herzustellen. Da er durch seine lange, strenge Zurückgezogenheit, sein Einsiedlerleben in den Wäldern, eine so wunderbare Reinheit erlangt hat, wer wollte da nicht bedauern, wenn sein Wasser sich mit dem verhältnismäßig schmutzigen des Flintsees vermischte oder seine wohlschmeckende Süße gar in den Wellen des Ozeans unterginge?
    Der Flint- oder Sandsee in Lincoln, unser größter Binnensee, liegt ungefähr eine Meile östlich von Waiden. Er ist viel größer -
    er soll eine Fläche von einhundertsiebenundneunzig Morgen bedecken - und viel fischreicher. Er ist jedoch verhältnismäßig seicht und nicht besonders rein. Ich habe zur Erholung oft einen Spaziergang durch die Wälder zu ihm gemacht. Es war der Mühe wert gewesen, wenn auch nur, um sich den Wind um die Ohren blasen zu lassen, das Spiel der Wellen zu beobachten und an das Leben der Seeleute zu denken. Ich besuchte ihn an windigen Herbsttagen, um mir die Kastanien zu holen, die bei solchem Wetter ins Wasser fielen und einem vor die Füße gespült wurden. Als ich eines Tages sein schilfbewachsenes Ufer entlangschlenderte, während mir der frische Gischt ins Gesicht spritzte, stieß ich auf das vermoderte Wrack eines Bootes, das keine Wände mehr hatte und von dem nicht viel mehr als der Abdruck seines flachen Bodens unter dem Schiff
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    erhalten war. Seine Form dagegen war noch scharf umrissen wie die eines großen verfaulten Blattes einer Wasserpflanze, dessen Adern noch zu erkennen sind. Es war nicht weniger eindrucksvoll als ein Wrack am Meeresstrand und nicht weniger lehrreich. Nun ist es längst in der Erde des Seeufers
    aufgegangen und vom Boden nicht mehr zu unterscheiden, aus dem Binsen und Schwertlilien sprießen. Gewöhnlich
    bewunderte ich das Wellenmuster auf dem Sandboden am
    Nordende des Sees, das durch den Druck des Wassers trittfest und hart geworden war, und die Binsen, die dort der Zeichnung entsprechend wellenförmig in Reih und Glied hintereinander wuchsen, als wären sie von den Wellen gepflanzt. Ich habe dort auch eine ganze Menge eigenartiger Bälle gefunden, die
    anscheinend aus dünnem Gras oder Wurzeln bestanden,
    möglicherweise aus denen des Pfeifenstrauchs. Sie waren kugelrund und schwankten im Durchmesser zwischen einem
    halben und vier Zoll. Sie rollten an den seichten Stellen hin und her und wurden manchmal ans Ufer gespült. Entweder

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