Walden Ein Leben mit der Natur
Hügelhang hinabrollten und das jetzige Ufer
bildeten. Fest steht jedenfalls, daß einst kein See war, wo es jetzt einen gibt. Die indianische Legende widerspricht in keinem Punkt dem Bericht des alten Siedlers, den ich bereits erwähnte.
Er erinnert sich gut daran, daß er, als er das erste Mal mit seiner Wünschelrute hierherkam, einen leichten Dunst über der Wiese aufsteigen sah, und da sein Haselzweig beständig nach unten zuckte, beschloß er, an der Stelle einen Brunnen zu graben. Was die Steine angeht, so denken viele, sie seien kaum durch die Bewegung der Wellen an den Hügeln zu
erklären. Ich habe aber gesehen, daß die Hügel der Umgebung eine bemerkenswerte Fülle der gleichen Steine aufweisen, so daß man sogar gezwungen war, sie an der Eisenbahnstrecke, die dem See am nächsten ist, auf beiden Seiten zu Mauern aufzuschütten. Außerdem sind dort die meisten Steine, wo das Ufer am steilsten ist; so daß die Sache leider kein Geheimnis mehr für mich darstellt. Ich habe erkannt, wer den See
gepflastert hat. Wenn sich der Name nicht auf irgendeine englische Ortschaft bezieht - Saffron Walden zum Beispiel -, könnte man annehmen, daß sein Name von »Walled-in Pond«
(»Eingemauerter See«) abgeleitet ist.
Für mich war der See ein fertig gegrabener Brunnen. Vier Monate des Jahres ist sein Wasser so kalt, wie es allezeit klar ist. Es schmeckt so gut, wenn nicht besser, wie das beste Wasser der Stadt. Im Winter ist jedes Wasser, das der Luft ausgesetzt ist, kälter als die Quellen und Brunnen, die im verborgenen liegen. Die Temperatur des Seewassers, das von fünf. Uhr nachmittags bis zum Mittag des folgenden Tages, dem sechsten März 1846, in meinem Zimmer gestanden hatte, wo das Thermometer durch die Sonne, die aufs Dach schien, zeitweilig auf 18° bis 20° Celsius stieg, betrug nur 6° Celsius, genau ein Grad kälter als das Wasser, das frisch aus dem
-1 7 6 -
kältesten Brunnen der Stadt geschöpft wurde. Die Temperatur der Boiling-Spring-Quelle betrug am gleichen Tag 7° Celsius und war damit das wärmste Wasser, das ich probierte, auch wenn es im Sommer das allerkälteste ist, solange es sich nicht mit dem seichten stehenden Oberflächenwasser mischt. Im Sommer wird der Waldensee wegen seiner Tiefe nie so warm wie die meisten Gewässer, die der Sonne ausgesetzt sind. An den heißesten Tagen stellte ich mir einen Eimer voll in den Keller, wo es über Nacht abkühlte und tags kühl blieb.
Gleichzeitig suchte ich aber auch häufig eine andere Quelle in der Nähe auf. Das Waldenwasser schmeckte auch nach einer Woche noch genausogut wie an dem Tag, als ich es schöpfte, und hatte auch nicht den Beigeschmack der Pumpe. Wer
einmal eine Woche lang im Sommer an einem See kampiert, braucht nur einen Eimer Wasser ein paar Fuß tief im Schatten seines Lagers einzugraben, um auf den Luxus von kühlendem Eis verzichten zu können.
Es wurden auch Hechte im Waldensee gefangen, von denen
einer sieben Pfund wog, gar nicht zu reden von einem anderen, der mit unglaublicher Schnelligkeit die Angelschnur entführte und den sein Fischer mit gutem Gewissen auf acht Pfund
schätzte, da er ihn gar nicht zu sehen bekam. Es gab Barsche und Lampreten, die bis zu zwei Pfund wogen, Weißfische und Plötzen (Leuciscuspulchellus), wenige Brassen und ein paar Aale, von denen einer vier Pfund wog - ich bin hier deshalb so genau, weil das Gewicht eines Fisches üblicherweise sein einziger Anspruch auf Ruhm ist, und nebenbei waren das die einzigen Aale in der ganzen Gegend, von denen ich je gehört habe. Auch an einen kleinen, etwa fünf Zoll langen Fisch, an den Seiten silbrig und mit grünlichem Rücken, erinnere ich mich dunkel, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Weißfisch hatte und den ich hauptsächlich deshalb erwähne, um den Märchen darüber etwas Tatsächliches entgegenzusetzen. Besonders fischreich ist der See jedoch nicht. Sein größter Stolz sind die Hechte, obwohl auch sie nicht allzu reichlich sind. Ich habe einmal, auf dem Eis liegend, drei verschiedene Sorten
beobachtet: eine längliche, flache von stahlgrauer Farbe, wie
-1 7 7 -
sie auch im Fluß zu finden ist; eine helle, goldgetönte mit grünlichen Lichtern, die sich besonders in der Tiefe aufhält und hier die häufigste ist; und eine weitere goldfarbene, von gleicher Form, die an den Seiten dunkelbraun, schwarz und dazwischen blutrot getupft ist wie die Forelle. Die Bezeichnung reticulatus paßt eigentlich nicht zu ihr, richtiger wäre
Weitere Kostenlose Bücher