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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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Tiefe
    widerspiegelt.
    Eine Wasserfläche gibt die Stimmung wieder, die in der Luft ist.
    Sie bezieht unaufhörlich neues Leben, neue Bewegung von oben. Sie ist das natürliche Bindeglied zwischen Land und Himmel. Auf dem Lande wiegen sich nur Gras und Bäume im Wind, hier aber bewegt sich das Wasser selbst. Ich kann an den Lichtern und Lichtstreifen erkennen, wo der Wind darüber hinstreicht. Sonderbar, daß wir auf seine Fläche niederschauen können. Vielleicht werden wir einmal imstande sein, ebenso auf die Luft niederzubücken und die Stelle zu erkennen, wo sie von einem noch feineren Geist berührt wird.
    Die Wasserläufer und Wasserwanzen verschwinden gegen
    Ende Oktober, wenn die ersten strengen Fröste einsetzen.
    Dann gibt es an windstillen Tagen absolut nichts, was die Wasserfläche bewegt. Eines Nachmittags im November sah ich den See in der Windstille, die einem tagelangen Regenwetter folgte, bei noch völlig bedecktem Himmel und starkem Nebel so glatt liegen, daß er nur schwer zu erkennen war, obwohl er nicht mehr die leuchtenden Farben des Oktobers, sondern die düstere Novembertönung seiner Umgebung spiegelte. Obgleich ich versuchte, so ruhig wie möglich darüber hinzurudern, dehnten sich die leichten Wellen, die das Boot erzeugte, über mein ganzes Blickfeld aus und riffelten die darin gespiegelte Landschaft. In der Ferne aber sah ich hie und da ein feines Schimmern, als hätten sich an jenen Stellen ein paar
    Wasserläufe versammelt, die dem Frost entgangen waren.
    Vielleicht war es auch nur ein Zeichen dafür, daß dort vom Grund eine Quelle heraufsprudelte. Als ich jedoch an eine der Stellen heranruderte, sah ich mich zu meiner Überraschung von
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    Tausenden kleiner, ungefähr fünf Zoll langer Barsche umgeben.
    Sie waren von lebhafter Bronzefarbe und schössen vergnügt in dem grünen Wasser hin und her, stiegen immerzu an die
    Oberfläche, die sich kräuselte, und ließen ab und zu Bläschen auf ihr zurück. In dem durchsichtigen, scheinbar grundlosen Gewässer, in dem sich die Wolken spiegelten, kam ich mir vor, als segelte ich in einem Ballon durch die Luft, wo mich ein wenig unter mir die Fische wie Vogelschwärme umkreisten, von ihren Flossen wie von Flügeln getragen. Ich fand an jenem Nachmittag viele solcher Schwärme im See, die anscheinend noch die kurze Zeit aus nutzen wollten, ehe der Winter seine Eisläden vor ihr weites Dachfenster zog. Es sah aus, als striche ein leichter Wind über das Wasser oder als fielen ein paar Regentropfen. Wenn ich mich den Fischen unvorsichtig näherte und sie erschreckte, dann peitschten sie mit einem plötzlichen Schlag ihrer Schwanzflossen das Wasser, daß es sich riffelte, als hätte jemand mit einem Reisigbündel darübergestrichen, und verschwanden augenblicklich in der Tiefe. Schließlich wurde es windig, der Nebel nahm zu, es gab wieder
    Wellengang, und die Barsche begannen höher zu springen, Hunderte schwarzer Punkte von etwa drei Zoll Länge ragten auf einmal über der Oberfläche empor. Einmal sah ich sogar noch am fünften Dezember ein paar Wellenkreise an der Oberfläche.
    Ich dachte, es würde gleich zu regnen beginnen, da es sehr neblig war, und setzte mich eilends an die Ruder, um nach Hause zu fahren. Der Regen schien auch stärker zu werden, obwohl ich nichts davon auf meiner Haut spürte, und ich sah mich im Geist bereits völlig durchnäßt. Plötzlich aber
    verschwanden die Kreise, denn sie waren von den Barschen verursacht worden, die der Lärm meiner Ruder in die Tiefe verjagte. Ihre Schwärme verzogen sich allmählich, und ich kam diesen Nachmittag noch trocken davon.
    Ein alter Mann, der den See vor nahezu sechzig Jahren häufig besuchte, als er noch von finsteren Wäldern umgeben war, erzählte mir, daß er damals manchmal von Wildenten und
    anderem Wassergeflügel nur so wimmelte. Auch eine Menge Fischadler habe es gegeben. Er selbst sei hierhergekommen,
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    um zu fischen, und habe dazu ein altes Holzkanu benutzt, das er am Ufer fand. Es sei aus zwei Weißfichtenstämmen
    zusammengesetzt und an beiden Enden abgekantet gewesen.
    Trotz seiner Schwerfälligkeit habe es noch viele Jahre gehalten, ehe es sich mit Wasser füllte und wahrscheinlich auf den Grund sank. Der Alte wußte nicht, wessen Boot es war. Es hatte zum See gehört. Er pflegte sich ein Ankertau aus dem Bast der Hickoryrinde zusammenzubinden. Ein alter Töpfer, der schon vor der Revolution am See gewohnt hatte, hatte ihm erzählt, daß auf dem

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