Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
Vom Netzwerk:
um einen Marktwert zu besitzen, sie haben nichts Schmutziges an sich. Um wieviel schöner sind sie als unser Leben, um wieviel durchsichtiger als unser Charakter! Sie kennen keine
    Niedertracht. Um wieviel klarer sind sie als der Teich vor der Haustür des Farmers, in dem seine Enten schwimmen! Sie
    werden nur von den sauberen Wildenten aufgesucht. Es gibt kein menschliches Wesen, das sie entsprechend würdigt. Die Vögel mit ihrem Gefieder und ihrem Gesang leben in Harmonie mit den Blumen, aber welcher junge Mann, welches junge
    Mädchen lebt im Einklang mit der wilden, üppigen Schönheit der Natur? Sie blüht ganz für sich allein, weit entfernt von den Städten, wo jene wohnen. Redet mir nicht vom Himmel! Ihr schändet die Erde.
    -1 9 2 -

    X.
    Baker-Farm
    Manchmal durchstreifte ich Föhrenwälder, die wie Tempel oder Segelflotten in die Lüfte ragten, bis zur Spitze mit
    schwankenden Zweigen geschmückt, von Licht durchrieselt, so still, grün und schattig, daß die Druiden ihre Eichenwälder verlassen hätten, um hier ihre Andacht zu verrichten; ich ging auch in den Zedernwald jenseits des Flintsees, dessen hoch aufragende Bäume mit ihren weiß angehauchten blauen
    Beeren würdig gewesen wären, vor der Walhalla zu stehen, wo die fruchtbeladenen Ranken des kriechenden Wacholders den Boden überziehen. Auch Sümpfe besuchte ich, wo in Girlanden die Bartflechte von den Weißfichten niederhängt, und Pilze, die runden Tische der Sumpfgötter, den Grund bedecken; wo noch schönere Schwämme, die Muscheln, Schmetterlingen und
    Schnecken gleichen, die Baumstümpfe schmücken; wo die
    Sumpfazaleen und der blutrote Hartriegel wachsen, die roten Beeren der Erlen wie Koboldaugen glühen; wo das Wachskraut die härtesten Stämme aushöhlt und zersplittert und wo die Beeren der wilden Stechpalme über ihrer Schönheit den
    Beschauer sein Heim vergessen lassen und er von vielen
    anderen verbotenen Früchten - zu schön für den Gaumen eines Sterblichen - geblendet und verlockt wird. Statt einen Gelehrten aufzusuchen, machte ich so manchem in meiner Nachbarschaft seltenen Baum meine Aufwartung, der weit von meinem Haus in der Mitte eines Weideplatzes, in den Tiefen des Waldes, eines Moores oder auf der Spitze eines Hügels stand: so zum Beispiel der Schwarzbirke, deren hier einige hübsche
    Exemplare von etwa einem halben Meter Durchmesser stehen, oder ihrer Base, der gelben Birke, mit ihrem losen goldenen Wams, die so köstlich duftet wie jene; schließlich der Rotbuche, die einen so schönen, bis ins letzte vollkommenen,
    flechtenbemalten Stamm besitzt. Abgesehen von einigen
    verstreuten Exemplaren in der Umgebung unserer Stadt kenne ich nur ein einziges Wäldchen mit größeren Buchen; sie sollen von Tauben gepflanzt worden sein, die man in der Nähe mit Bucheckern gefüttert hatte. Beim Spalten des Holzes die
    -1 9 3 -

    silberne Maserung funkeln zu sehen ist ein lohnender Anblick.
    Ich suchte auch die Schwarzlinde auf, die Weißbuche, die celtis occidentalis oder falsche Ulme, von der es nur ein einziges schönes Exemplar hier gibt; den hohen Mast der Kiefer, einen Schindelbaum oder eine ungewöhnlich schöne
    Schierlingstanne, die sich mitten im Wald wie eine Pagode erhob. Ich könnte noch viele andere nennen. Das waren die Altäre, zu denen ich sommers und winters pilgerte.
    Einmal widerfuhr mir das Glück, mitten in den Streben eines Regenbogens zu stehen, der sich durch die tiefere Schicht der Atmosphäre zog und das Gras und das Laub um mich herum
    färbte. Er blendete mich, als sähe ich durch einen bunten Kristall. Es war ein Meer von Regenbogenlicht, durch das ich mich eine Weile wie ein Delphin bewegte. Hätte es länger angehalten, es hätte vielleicht meinem Tun und Leben einen neuen Farbton gegeben. Wenn ich den Bahndamm
    entlangging, wunderte ich mich stets über den Lichtschein, der meinen Schatten umrandete, und ich stellte mir vor, daß ich zu den Auserwählten gehörte. Ein Mann, der mich besuchte,
    behauptete, daß die Schatten der Irländer, die vor ihm
    gegangen, von keinem Lichtschein umgeben gewesen seien, daß nur Einheimische eine solche Auszeichnung erführen.
    Benvenuto Cellini schreibt in seinen Lebenserinnerungen, es sei nach einem schrecklichen Traum oder Trugbild, das ihn während seiner Gefangenschaft im Schloß von San Angelo
    heimgesucht hatte, morgens und abends ein strahlendes Licht über dem Schatten seines Kopfes erschienen, ob er sich nun in Italien oder in Frankreich befand, und

Weitere Kostenlose Bücher