Walden Ein Leben mit der Natur
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ohne zu wissen, wie schlecht der Handel war, den sein Vater abgeschlossen hatte. Ich suchte dem Mann mit meinen
Erfahrungen beizustehen und erzählte ihm, daß er einer meiner nächsten Nachbarn sei und daß auch ich, der ich wie ein Müßiggänger aussähe und hier fischen komme, meinen
Unterhalt auf gleiche Weise verdiene; daß ich ein wetterfestes, helles, sauberes Haus bewohne, das kaum teurer sei als die Miete für die von ihm bewohnte Ruine im Jahr; ich erklärte ihm, wie er sich in ein oder zwei Monaten selbst einen solchen Palast bauen könne, wenn er wolle, und hob hervor, daß ich weder Tee noch Kaffee trinke, nicht auf Butter, Milch und Fleisch angewiesen sei und mich daher auch nicht plagen müsse, um es mir leisten zu können; allerdings nicht viel zu essen brauche, weil ich nicht schwer arbeite, meine Ernährung mich folglich so gut wie nichts koste. Wenn er hingegen mit Kaffee, Tee, Butter, Milch und Fleisch beginne, müsse er schwer arbeiten, um das alles zu bezahlen, und wenn er
schwer arbeite, müsse er tüchtig essen, um seine verbrauchten Kräfte wiederherzustellen - und so führe immer eines zum anderen und schließlich dazu, daß er unzufrieden sei und sein Leben vergeude. Dabei sei ihm die Aussicht, täglich Kaffee, Tee und Fleisch genießen zu können, als Gewinn erschienen, als er nach Amerika gekommen war. Das einzige wahre
Amerika aber sei dort, wo es dem Menschen freistehe, ein Leben zu führen, das ihm ermöglicht, ohne diese Dinge
auszukommen, wo man vom Staat nicht gezwungen wird,
Sklaverei, Krieg und andere kostspielige Unternehmungen zu unterstützen, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch dieser Dinge ergeben. Ich redete absichtlich mit ihm, als ob er ein Philosoph sei oder einer zu werden wünsche. Mir wäre es recht, wenn alle Wiesen der Welt in ihrem Naturzustand
belassen würden, wenn das der Beginn der Erlösung der
Menschheit sein könnte. Der Mensch braucht nicht Geschichte zu studieren, um herauszufinden, was seiner Selbstbildung am zuträglichsten ist. Aber ach! Um einem Irländer höhere Bildung beizubringen, müßte man ihm mit einer Art moralischer Torf hacke zu Leibe rücken. Ich gab John Field zu bedenken, daß er für seine Arbeit schwere Stiefel und feste Kleidung brauche, die
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trotzdem bald verschmutzt und abgetragen seien, während ich leichte Schuhe und Kleider trüge, die nicht halb soviel kosteten, auch wenn er den Eindruck habe, ich sei wie ein Gentleman gekleidet (was übrigens nicht der Fall war). In ein bis zwei Stunden könnte ich mir, wenn ich wollte, mühelos, ja auf die erholsamste Art für zwei Tage so viele Fische fangen, als ich Lust hätte, oder genügend Geld verdienen, um eine Woche davon zu leben. Wenn er und seine Familie einfach leben würden, dann könnten sie im Sommer alle miteinander zu ihrem Vergnügen Heidelbeeren pflücken. Bei diesen Worten stieß John Field einen Seufzer aus, und seine Frau starrte mich, die Hände in die Hüften gestemmt, an. Beide schienen sich zu fragen, ob sie genügend Kapital hätten, solch ein Leben zu beginnen, und genügend Rechenkunst, es durchzuführen. Für sie bedeutete das ohne Kompaß segeln, und sie konnten sich nicht vorstellen, wie sie auf diese Weise in den gewünschten Hafen kämen. So nehme ich denn an, daß sie sich immer noch tapfer durchs Leben schlagen, Aug um Aug, Zahn um Zahn, zu ungeschickt, um in des Lebens massive Säulen einen
feingeschliffenen Keil zu treiben und sie Stück für Stück auseinanderzusprengen; sie glauben, sie müßten wie bei einer Distel hart zupacken. Aber sie kämpfen unter denkbar
ungünstigen Umständen, leben so dahin - o weh, John Field! -, ohne zu rechnen; und daher der Mißerfolg.
»Gehen Sie fischen?« fragte ich ihn. »O ja, ab und zu, wenn ich nichts Besseres zu tun habe; guten Barsch habe ich schon geangelt.« - »Was nehmen Sie als Köder?« - »Ich fange mit Würmern Weißfische, und mit denen locke ich die Barsche an.«
»Am besten gehst du gleich los«, meinte seine Frau mit
hoffnungsvoll leuchtendem Blick. Aber John zögerte.
Das Gewitter war indessen vorüber, und der Regenbogen, der im Osten über den Wäldern stand, versprach einen schönen Abend. Ich verabschiedete mich. Als ich draußen war, bat ich um einen Schluck Wasser, denn ich wollte einen Blick in den Brunnen werfen, um meinen Eindruck zu vervollständigen. Aber ach, der Brunnen war seicht und versandet, das Seil zerrissen und der Eimer nicht
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