Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Deine Flügel!
"Du gleichst einer schweigenden Lerche, bist der Morgenröte Herold,
"Und über dem Dörfchen ziehst du Deine Kreise
"Als sei's Dein Nest.
"Dem Traume gleichst Du, der enteilt, dem Schattenbild
"Mittnächtiger Erscheinung, die ihr Gewand rafft und entschwindet.
"In dunkler Nacht verhüllst Du mir die Sterne und bei Tag
"Verdunkelst Tu der Sonne Glanz.
"Steig' auf; mein Weihrauch, steige auf von diesem Herd
"Und fleh' die Götter an, daß sie dies helle Feuer
"In ihrer Güte mir auch künftig schenken."
Hartes, grünes, frischgefälltes Holz entsprach, obwohl ich es nur wenig benutzte, meinem Zweck besser als irgend etwas anderes. Wenn ich an Winternachmittagen meinen Spaziergang machte, ließ ich nicht selten ein tüchtiges Feuer zurück. Kehrte ich dann nach drei bis vier Stunden heim, dann war es noch am Leben und glühte. Mein Haus war nicht leer, auch wenn ich fortgegangen war. Ich hatte gewissermaßen einen freundlichen Hausgeist zurückgelassen. Ich und das Feuer – wir wohnten hier zusammen, und gewöhnlich rechtfertigte mein Hausgeist das in ihn gesetzte Vertrauen. Einmal aber, als ich gerade beim Holzspalten beschäftigt war, dachte ich doch daran, einen Blick zum Fenster hinein zu tun, um zu sehen, ob das Haus nicht brenne. Das war das einzige Mal, soweit ich mich erinnern kann, wo ich in dieser Hinsicht wirklich besorgt war. Und als ich hineinschaute, bemerkte ich, daß tatsächlich ein Funken aufs Bett geflogen war. Ich eilte sofort ins Haus und löschte das Feuer, das bereits ein Loch so groß wie meine Hand ins Bett hineingebrannt hatte. Mein Haus stand indessen an einem so sonnigen und geschützten Platze, und das Dach war so niedrig, daß ich an Wintertagen fast täglich nur bis zur Mittagstunde heizte.
Die Maulwürfe nisteten in meinem Keller, knabberten jede dritte Kartoffel an, und schufen sich dort ein warmes Bett aus einigen beim Bewurf übriggebliebenen Haaren und aus Packpapier. Denn selbst die wildesten Tiere lieben Behaglichkeit und Wärme gerade so sehr wie die Menschen und überleben den Winter nur, weil sie sich so sorgfältig darauf vorbereiten. Einige meiner Freunde redeten so, als ob ich zum Erfrieren in den Wald gezogen sei. Das Tier macht sich nur ein Bett und wärmt dieses durch seinen eigenen Körper. DerMensch aber, der das Feuer entdeckt hat, schließt Luft in einen größeren Raum ab und wärmt, anstatt sich selbst zu berauben, dieses Zimmer, macht es zu seinem Bett, in welchem er sich, ohne schwere Kleider zu tragen, bewegen kann. So schafft er sich eine Art Sommer mitten im Winter, ja, er läßt sogar das Licht herein und verlängert mit einer Lampe den Tag. So gehen wir ein paar Schritte über den Instinkt hinaus und gewinnen etwas Zeit für die schönen Künste. Ich war nicht selten den schneidendsten Winterstürmen lange Zeit ausgesetzt, so daß mein Körper zu erstarren begann. Sobald ich aber die freundliche Atmosphäre um mich fühlte, kehrten meine Kräfte schnell zurück, so daß ich mein Leben verlängern konnte. Selbst derjenige, der die schönste Wohnung besitzt, hat in dieser Hinsicht wenig vor den andern voraus. Auch ist es nicht nötig, darüber nachzudenken, auf welche Weise das Menschengeschlecht zugrunde gehen wird. Zu jeder Zeit kann ein noch etwas schärferer Luftzug aus Norden den Faden mit Leichtigkeit abschneiden. Wir rechnen nach irgend einem kalten Wochentag oder nach einem starken Schneefall; ein etwas kälterer Freitag oder ein noch ärgeres Schneetreiben würde der irdischen Existenz des Menschen ein Ende bereiten.
Im nächsten Winter benutzte ich aus Sparsamkeit einen kleinen Kochofen, da ich ja nicht der Besitzer des Waldes war. Doch hielt sich das Feuer darin nicht so gut wie im offenen Kamin. Das Kochen war jetzt zum großen Teil kein poetisches Ereignis mehr, sondern ein chemischer Vorgang. In dieser Epoche der Kochöfen wird es bald vergessen sein, daß wir wie die Indianer unsere Kartoffeln in der Asche zu rösten pflegten. Der Ofen hat nicht nur Raum beansprucht und das Haus durchduftet – er hat auch das Feuer verborgen und darum in mir das Gefühl erweckt, als habe ich einen Freund verloren. Man kann immer ein Gesicht im Feuer sehen. Der Arbeiter, der Abends hineinschaut reinigt seine Gedanken von den Schlacken und dem Schlamm, der während des Tages sich an sie anheftete. Wenn ich aber eine Weile vor meinem Feuer saß und hineinblickte, dann kamen mir mit neuer Kraft die prächtigen Verse
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