Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
gibt:
"Denn jetzund ist auch unser Dorf ein Ziel
"Für einen jener windesschnellen Eisenspeere!
"Und über unsrer Felder stille Einsamkeit
"Hallt sanft der Ruf– Concord."
Die Fitchburger Bahn berührt den Teich ungefähr fünfhundert Schritt südlich von meiner Wohnung. Gewöhnlich gehe ich auf dem Eisenbahndamm zum Dorfe; ich bin somit durch dieses Band gleichsam mit der Zivilisation verbunden. Die Leute auf den Güterzügen, welche die ganze Strecke abfahren, grüßen mich wie einen alten Bekannten. Sie fahren so oft an mir vorbei, daß sie mich augenscheinlich für einen Beamten halten. Und das bin ich auch. Ich selbst würde nur allzu gern auf diesem Erdkreis irgendwo die Geleise ausbessern.
Das Pfeifen der Lokomotive durchdringt meine Waldungen im Sommer und im Winter; es klingt wie der Schrei eines Habicht, der über den Hof einer Farm fliegt. Es gibt mir Kunde, daß viele rastlose Kaufleute von Boston, oder unternehmungslustige Geschäftsmänner aus der entgegengesetzten Richtung gleich in unsrem Städtchen eintreffen werden. Kommen sie unter dem gleichen Horizont zusammen, dann schreien sie einander warnend zu: "Mach Platz!" Das kann man bisweilen im Umkreis von zwei Städten hören. Hier kommen Deine Kolonialwaren, Land! Hier ist Euer Mundvorrat, Landleute! Und noch ist kein Mann auf seiner Farm so unabhängig, daß er solche Anerbietungen von der Hand weisen kann. "Und hier ist Euer Geld", kreischt die Pfeife des Landmanns. Bauholz rennt mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Meilen pro Stunde auf die Mauern der Stadt zu; Stühle genug können daraus fabriziertwerden, daß alle Mühseligen und Beladenen in der Stadt darauf ausruhen können. Mit solch imponierender und hölzerner Höflichkeit bietet das Land der Stadt einen Stuhl an. All die indianischen Heidelbeerhügel werden geplündert, all die Preißelbeerwiesen werden in die Stadt geharkt. Gen Norden geht die Baumwolle, gen Süden das gewebte Tuch. Gen Norden geht die Seide, gen Süden der Wollstoff. Hinauf gehen die Bücher, aber der Geist, der in ihnen wohnt, geht bergab.
Wenn ich die Lokomotive sehe, die mit ihrem Schweif aus Wagen in planetarischer, oder richtiger kometenartiger Bewegung dahineilt, – der Zuschauer weiß nicht, ob sie bei dieser Geschwindigkeit und in dieser Richtung je wieder die gleiche Strecke durchsausen wird, denn ihre Bahn gleicht nicht einer in sich zurückkehrenden Kurve – ja, wenn ich die Lokomotive sehe und die Dampfwolke, die wie ein Banner in goldnen und silbernen Windungen hinter ihr her flattert, wie eine flaumige Wolke, die ich hoch oben am Himmelszelt ihre Masse dem Licht entfalten sah, wenn ich sehe, wie dieser wandernde Halbgott, dieser Wolkenbezwinger den Sonnenuntergangshimmel für die Livree seiner Gefolgschaft zu benutzen versucht, und wenn ich höre, wie von den Hügeln das Schnauben des eisernen Rosses, aus dessen Nüstern Feuer und Rauch strömen, unter dessen Hufen die Erde erdröhnt, donnergleich widerhallt – dann glaube ich, daß die Erde ein Geschlecht trägt, welches würdig ist sie zu bewohnen. (Allerdings weiß ich nicht, welche feuerspeienden Drachen oder welches geflügelte Pferd die Menschen in die neue Mythologie aufnehmen werden.) O, daß doch alles so wäre wie es scheint! Wenn doch die Elemente nur zu edlen Zwecken den Menschen Sklavendienste zu leisten hätten! Wenn die Wolke, die über der Lokomotive schwebt, die Ausgeburt heroischer Taten oder so wohltuend wäre wie die Himmelswolke, die über des Landmanns Felder zieht, dann würden die Elemente und die Natur selbst mit Freuden die Menschen auf Weg und Steg begleiten und beschützen.
Ich beobachte das Vorüberkommen des Morgenzuges mit dem gleichen Gefühl wie den Sonnenaufgang, der kaum regelmäßigervor sich geht. Die Wolkenschleppe erstreckt sich in weite Ferne, steigt immer höher bis zum Himmel hinan, während der Zug hinab nach Boston fährt. Eine Minute lang ist die Sonne hinter ihr verborgen. Mein entlegener Acker taucht in tiefen Schatten unter: ein Zug fährt zum Himmelszelt, gegen den der kleine Wagenzug, der an der Erde klebt, nur der Widerhaken des Speeres ist. Der Hüter des eisernen Rosses war früh auf an diesem Wintermorgen; die Sterne leuchteten noch über den Bergen, als er sein Streitroß fütterte und zäumte. Früh wurde auch das Feuer geweckt, um ihm Lebenswärme zu verleihen, um es fortzutreiben. Wäre das Unternehmen doch so unschuldig wie früh! Wenn hoher Schnee liegt, schnallen sie
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