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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Sonne, die Putzstreifen schillerten in allen Farben des Regenbogens. Frau Kramp schaute sich interessiert im Zimmer um. Die Mädchen beobachteten sie nervös. Bis auf den kleinen Makel mit der Fensterscheibe sah der Raum tadellos aus, fand Emily. Sogar als Frau Holtkamp noch gelebt hatte, hatte hier mehr Unordnung geherrscht.
    »Dieser alte Sekretär ist sehr schön«, bemerkte Frau Kramp. »Ich habe auch so einen, von meinem Großvater geerbt. Meiner hat sogar ein Geheimfach. Ah, das also sind die Schinken, die ich mir ansehen soll...«Sie stand eine Weile mit verschränkten Armen vor dem Sofa und betrachtete lächelnd die Kunstwerke. Schließlich warf sie noch einen Blick auf die Rückseite.
    »Und?«, fragte Janna, die es vor Neugier nicht mehr aushielt.
    »Ich schätze, die sind so in den Dreißiger-, Vierzigerjahren entstanden.«
    »Sind die wertvoll?«
    Frau Kramp schüttelte den Kopf und meinte: »Also, ich müsste mich schon schwer täuschen – aber da hat sich ein Amateur versucht. Seht mal, hier...«Sie wies auf das Bild mit dem Sonnenaufgang oder -untergang. »Wenn die Sonne von da kommt, müsste der Schatten so fallen. Hat man schon mal einen Schatten gesehen, der um die Ecke fällt? Und da...«Sie nahm sich das andere Bild vor. »Dieser Hirsch...die Perspektive und die Proportionen stimmen nicht, der ist zu groß im Vergleich zu den Tieren dorthinten. Ich glaube nicht, dass das beabsichtigt war. Aber für die Rahmen könntet ihr durchaus noch fünfzig oder hundert Euro bekommen.«
    »Danke«, sagte Marie.
    »Tja, das ist die traurige Wahrheit«, meinte Frau Kramp und lachte schon wieder. »Kein Reichtum in Sicht!«
    »Wir wollten nur sichergehen, dass wir nicht ein wertvolles Kunstwerk unter Wert verscherbeln«, erklärte Janna und schaute sich suchend um. Ihr Blick flackerte ängstlich auf. »Hey, wo ist Moritz?«
    Emily und Marie sahen sich um. Eben war er doch noch im Zimmer gewesen!
    »Moritz?«, rief Janna und in ihrer Stimme schwang Panik mit. Keine Antwort. Marie rannte hinaus, Janna hinterher. Moritz kniete im Gras, Nase an Nase mit Ringo und schnitt Grimassen, die den schwarzen Riesen jedoch nur mäßig beeindruckten. Er hechelte und wedelte amüsiert mit dem Schwanz.
    »Keine Angst, der tut ihm nichts.« Frau Kramp hatte Jannas erschrockenes Gesicht falsch gedeutet. »Der ist Kinder gewohnt.«
    »Haben Sie eigentlich auch welche?«, platzte es aus Emily heraus. Sie hatte ganz vergessen, dass sie mit einer Lehrerin redete. Sie hielt sich die Hand vor den Mund. »Äh, entschuldigen Sie...«
    Frau Kramp schüttelte den Kopf, ihre Miene war ernst geworden. »Du musst dich nicht entschuldigen. Nein, ich...ich habe keine Kinder.« Für einen Moment sah es so aus, als wollte sie noch etwas sagen, aber dann besann wohl auch sie sich darauf, dass sie ihre Schülerinnen vor sich hatte, und schwieg.
    »Es tut mir leid, ich wollte nicht neugierig sein«, sagte Emily.
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte Frau Kramp und lächelte schon wieder.
    Die Woche ging zu Ende und auch das Wochenende verstrich ohne besondere Vorkommnisse. Das Wetter war anhaltend schön, es stellte sich allmählich eine Art Ferienroutine ein. Manchmal vergaß Emily sogar für Stunden, was geschehen war und dass das Leben, das sie zurzeit führten, im Grunde ein Tanz auf einem dünnen Seil war. Vormittags erledigten sie Arbeiten in Haus und Garten und beschäftigten Moritz. Nachmittags, wenn der Junge bei den Ferienspielen war, besuchten Marie und Emily ihren Malkurs und an den freien Tagen gingen sie zum Schwimmen oder lagen im Garten und lasen. Zweimal ging Emily mit Marie joggen, nicht weil ihr das gefiel, sondern damit Marie nicht allein durch die Gegend rennen musste. Aber Marie lief schnell, als wolle sie vor etwas davonlaufen, Emily hatte größte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Deshalb blieb sie beim dritten Mal zu Hause. Marie war nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil, sie blieb fast eine Stunde weg und kam mit einem zufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht zurück, auch wenn sie schweißgebadet war.
    Am Freitag fuhr Janna mit Axel in die Stadt und kehrte mit einem Armvoll neuer Klamotten zurück, was einen heftigen Disput zwischen Marie und Janna über die gerechte Aufteilung des Geldes zur Folge hatte. Aber dieses Mal vertrugen sie sich rasch wieder, denn Janna versprach ihrer Schwester, noch vor Schulbeginn mit ihr einkaufen zu fahren. Auch Moritz würde wohl einige Dinge brauchen, wenn die Schule wieder anfing. Aber bis

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