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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Das konnte nur von Axel kommen.
    Manche Jungs konnten eben doch bis drei zählen, auch wenn Marie das stets bezweifelte. Drei Kinder – drei Zimmer im ersten Stock. Wo schlief die Großmutter, wenn sie wieder aus dem Krankenhaus kam? Verdammt, es hätte Janna doch klar sein müssen, dass ihre Renovierungsaktion Fragen aufwarf! Und jetzt? Sollte sie Lennart ins Vertrauen ziehen? Er erschien ihr verlässlich und vielleicht hatte er sie mit seiner Andeutung ja warnen wollen. Möglicherweise würden sie einen Verbündeten noch gut gebrauchen können. Aber sie hatte einen Schwur geleistet. Nein, gerade sie konnte nicht mit der Wahrheit herausrücken. Sie würde niemanden verpetzen.
    Emily stützte sich auf ihren Ellenbogen und sah Lennart in die Augen. Sie waren hellgrau und meistens lag ein schelmisches Blitzen in ihnen.
    »Glaub mir, es ist alles in Ordnung«, sagte sie mit fester Stimme.
    »Okay«, sagte Lennart nur und glitt lautlos wie ein Krokodil ins Wasser.
    »Das hat aber lang gedauert«, meinte Marie, als Emily mit hochroten Ohren wieder zu ihrem Platz zurückkam.
    »Findest du?« Emily war die Zeit überhaupt nicht lang vorgekommen.
    »Und? Was ist passiert?«
    »Nichts. Man wird sich doch noch mal mit jemandem unterhalten dürfen«, wehrte Emily ab. Sie legte sich auf den Rücken und machte die Augen zu, damit sie Maries spöttisches Grinsen nicht sehen musste.
    Lennart...Was für ein hübscher Name, was für ein gut aussehender Typ... Schlagzeuger, wow! Ach, wenn ich doch wenigstens schon fünfzehn wäre! Fünfzehn klang doch schon fast erwachsen, dachte Emily, während bunte Muster vor ihren ge schlossenen Augen tanzten. Zu blöd, dass Lennart morgen mit seinen Eltern nach Schweden fuhr! Es hatte ihr einen richtigen Stich versetzt.
    »Halt die Ohren steif«, hatte er vorhin zum Abschied gesagt und sie dabei zart am Ohrläppchen gezogen. Immerhin hatte er ihre Handynummer haben wollen. Sogar auf seine Hand hatte er sie geschrieben.
    Vielleicht schickte er eine SMS aus Schweden. Allerdings: Bis er wieder da war, würde auch ihre Zeit bei Marie vorbei sein. Dann war es aus mit dem süßen Leben, dann würde alles wieder komplizierter werden. Sie hörte schon im Geist die tausend Fragen und Einwände ihrer Eltern: Wer ist das? Wie alt ist er? Wo wollt ihr hin...?Im Grunde waren Janna und Marie doch zu beneiden um ihr Leben ohne lästige Erwachsene. Emily seufzte. Sie fühlte die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht, und obwohl sie eben noch ihren fünfzehnten Geburtstag herbeigesehnt hatte, wünschte sie sich nun, die Zeit würde stillstehen.
    Auf dem Heimweg schlug Marie vor, an ihrem Baumhaus vorbeizufahren. Emily war einverstanden, obwohl ihr das Baumhaus inzwischen ziemlich egal war. Noch vor drei Wochen hatten sie mit Eifer daran gebaut, aber nun erschien es ihr plötzlich wie ein Relikt aus jener längst vergangenen Zeit.
    »Hier war jemand«, sagte Marie kurz darauf und deutete auf eine Zigarettenkippe. Auch eine Bierflasche lag auf den Brettern.
    »Meinst du, der Penner von neulich war hier und hat das Haus beobachtet?«, sprach Emily den Gedanken aus, den sie beide hatten.
    Vom Baumhaus aus hatte man einen guten Blick über die Felder auf das Häuschen am Bahndamm. Mit einem Fernglas konnte man die Nord-und die Ostseite mit dem Eingang gut einsehen.
    »Es können auch andere gewesen sein. Spaziergänger, Jugendliche . . .«, sagte Marie, aber es klang nicht sehr überzeugend.
    »Ein Obdachloser würde keine Bierflasche liegen lassen«, kombinierte Emily. »Da ist Pfand drauf.«
    »Falls der Kerl ein Obdachloser war«, sagte Marie und mit einem Mal war dieses ungute Gefühl wieder da, das sie während der letzten Tage so erfolgreich verdrängt hatte.
    Ohne sich abzusprechen, kletterten sie die Leiter herunter und machten sich auf den Weg durch den Wald bis zu Frau Holtkamps Grabstätte. Hier war alles in Ordnung, sogar mehr als das: Die Mädchen hatten inzwischen selbst Mühe, den Platz, an dem der Leichnam lag, auf den Meter genau zu bestimmen.
    »Schade, dass man nicht einen Stein mit einer Inschrift hinlegen kann«, bedauerte Marie.
    In der Nacht von Sonntag auf Montag träumte Emily von Lennart. Sie war mit ihm und seinen Eltern – die Mutter erinnerte an ihre Mathematiklehrerin, der Vater an den Weihnachtsmann – nach Schweden gefahren. Schweden bestand aus Wald und Strand. Aber Lennart beachtete sie gar nicht. Stattdessen stellte seine Mutter Emily vor eine Tafel und gab ihr eine Gleichung mit zwei

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