Waldmeister mit Sahne
Joachim heraus. Geknickt hockte er auf der Decke und schaute Micha um Verständnis heischend an.
„Niemand?“, fragte der ungläubig.
„Nein, niemand. Und das soll genau so bleiben. Meine Kollegen würden mir die Hölle heißmachen und jeder, wirklich jeder Einzelne in meiner Umgebung würde total ausrasten.“
„Das ist nicht dein Ernst.“
„Mein völliger Ernst. Wir könnten nie als Pärchen auftreten, verstehst du? Und ich habe nicht den Eindruck, dass du auf ständige heimliche Treffen stehst.“
„Natürlich stehe ich da nicht drauf. Ich will meinen Freund selbstverständlich der ganzen Welt zeigen.“ Micha ging ein Licht auf. „Deshalb hattest du noch nie gevögelt.“
Joachim verzog das Gesicht und nickte.
„Es tut mir leid“, wiederholte er. „Wir sollten es hier beenden, ehe wir zu tief in dieser Gefühlssache drin stecken. Ich hätte mich nie mit dir verabreden dürfen. Das war dir gegenüber nicht fair. Ich habe mich von dir bloß so angezogen gefühlt.“ Joachim mied Michas Blick und begann bereits seine Klamotten zusammenzusuchen.
„Komm, zieh dich an. Ich bringe dich nach Hause.“
Micha schien ihn gar nicht zu hören. Er saß wie vom Donner gerührt da und starrte ihn an.
„Das ist tatsächlich dein Ernst“, sagte er total verblüfft.
„Ja, ist es. Bitte sei nicht allzu sauer auf mich, ja?“
Micha sprang ohne ein weiteres Wort auf und schlüpfte mit eckigen Bewegungen in seine Hose.
„Micha …“
Er schaute auf und direkt in Joachims trauriges Gesicht.
„Mir fällt es selbst nicht leicht“, sagte der. „Ehrlich. Trotzdem ist dieses ewige Versteckspiel für mich allein schon schwer genug.“
„Hast du mich deswegen nicht küssen wollen?“, fragte Micha leise. Joachim lächelte kläglich.
„Küssen ist für mich etwas sehr Intimes. Das behalte ich mir für ganz besondere Personen vor.“
„Bin ich denn etwas Besonderes?“
Erneut streckte Joachim die Hand aus und dieses Mal wich Micha nicht zur Seite, sondern ließ es zu, dass sich diese Hand auf seine Wange legte.
„Vorhin im See wäre ich nur zu gerne mit dir beim Küssen ertrunken“, murmelte Joachim, denn er hatte ebenfalls den Zauber des Augenblicks gespürt.
Schweigend räumten sie ihre Sachen zusammen und gingen zum Auto zurück. Joachim startete mit einem raschen Seitenblick auf Micha den Motor. Der saß wie betäubt neben ihm und starrte ins Leere. Keiner von ihnen sprach während der Fahrt auch nur ein Wort.
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Jo hielt vor Michaels Garage, die lediglich ein Fahrrad beherbergte. Einen eigenen Wagen besaß Michael nicht, weil er Autos eigentlich überhaupt nicht mochte. Und trotzdem arbeitete er beim TÜV. Er wusste selbst nicht warum.
Nun sollte er aussteigen und Jo hinterhersehen, wie er aus seinem Leben fuhr. Und anschließend? Zurück zum Cruisen am Spielmannteich oder am Kennel? Michael löste den Sicherheitsgurt und drehte sich zu Jo um. Ein einziger Blick in seine schokoladenbraunen Augen reichte aus und es war um ihn geschehen.
„Jo, ich kann nicht“, sagte er hilflos.
„Was?“, fragte Jo.
Michael bemerkte, wie Jos Gefühle in seinem Gesicht um die Vorherrschaft kämpften. Also packte er ihn kurzerhand am Kragen seines T-Shirts und zog ihn zu sich, um Jo zu küssen.
„Dich einfach verschwinden lassen“, beantwortete Michael die Frage, während Jo heftig nach Atem rang.
„Bitte, Micha, mach es uns nicht so schwer. Ich habe es dir schließlich erklärt.“
Nun musste er energisch protestieren: „Ich mache überhaupt nichts schwer. Du bist derjenige, der hier zickt. Aber bitte sehr. Von mir aus spielen wir eben ab heute Verstecken. Und vielleicht outest du dich ja doch noch irgendwann.“
Jo sah ihn verdattert an.
„Michael, das wird nicht funktionieren“, sagte er leise.
„Ich gehe jetzt rauf und lasse die Tür offen. Wenn du mich ganz sicher nicht mehr wiedersehen willst, kannst du getrost nach Hause fahren. Ansonsten weißt du ja, wo du mich findest.“ Mit dieser Erklärung stieg Michael aus dem Golf und griff nach seiner Tasche. Ohne sich nach Jo umzudrehen, schloss er die Haustür auf und lief die knarzende Holztreppe bis zu seiner Wohnung im ersten Stock hinauf. Seine Wohnungstür lehnte er hinter sich bloß an und sorgte mit einem Türstopper dafür, dass sie auf keinen Fall zuschlagen konnte. Würde Jo ihm folgen oder würde er tatsächlich fahren? Wie tief gingen seine Gefühle? Michael hatte keine Ahnung und das machte ihn ganz verrückt.
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