Waldmeister mit Sahne
dass er schwul ist. Kannst du nicht wenigstens mit ihm reden?“ Flehend sahen ihn Martys Augen an.
„Bitte“, sagte er inzwischen ziemlich kleinlaut.
Michael dachte an sternenklare Nächte am Südsee, er dachte an Jos warme Haut, an seinen Geruch, sein Lachen, sein … Stöhnen.
„Bitte, Micha“, bettelte Marty erneut und versuchte verzweifelt in seiner Miene zu lesen.
„Waldmeistereis, hm?“, brummte Michael in erotische Gedanken versunken. Marty lächelte.
„Mit Sahne“, ergänzte er. Damit hatte er ihn, dieser Rotzlöffel.
„Also gut, ich rede mit ihm.“
„Gleich heute?“, fragte Marty aufgeregt.
Michael nickte. „Nach Feierabend. Und Marty?“
Erwartungsvoll blickte Marty ihn an und Michael ergänzte: „Allein.“
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Bereits zum dritten Mal klingelte Michael an Jos Haustür. Wenn nicht gleich jemand öffnete, würde er gehen und keinem Kind der Welt würde es gelingen, ihn erneut dazu zu überreden, Jo aufzusuchen. Endlich wurde die Tür geöffnet. Mit einem verzagten Gesicht stand Marty vor ihm.
„Ich habe hier eine Verabredung“, erinnerte Michael ihn knurrig, weil er so lange hatte warten müssen. Da entdeckte er die ersten Tränen in Martys Augen.
„Es tut mir leid“, murmelte der und blinzelte.
„Was ist los?“ Irgendetwas war faul, das spürte Michael genau.
Marty deutete stumm auf eines der Zimmer. Erst in diesem Moment bemerkte Michael, wie dunkel es im Haus war. Es roch muffig.
„Paps ist völlig hacke“, sagte Marty und das erklärte seine Niedergeschlagenheit. Er wollte ja, dass sich Michael mit seinem Vater aussprach. Auf das Schlimmste gefasst ging Michael in das Wohnzimmer. Zum ersten Mal war er bei Jo zu Hause und fühlte sich bei dem Geruch, der ihm entgegenschlug, als hätte er die Tür zu einer versifften Kneipe aufgestoßen. Bierflaschen reihten sich auf einem Couchtisch und auf dem Sofa davor hockte ein Jo, wie Michael ihn bislang nicht erlebt hatte. Allmählich dämmerte es ihm, was Marty unter sumpfen verstand. Jo war unrasiert, hatte glasige, rote Augen und – Donnerwetter – er stank. Mit einem leisen Fluch zog Michael die Rollläden auf und schaltete dafür das Licht aus. Marty stand in der Tür und sah ihm beinahe ängstlich zu. Wahrscheinlich befürchtete er, dass Michael auf dem Absatz kehrt machte und auf Nimmerwiedersehen verschwand. Genau das hätte Michael am liebsten getan, aber sollte er wirklich ein Kind in diesem Dreck und mit einem besoffenen Vater allein lassen? Michael riss die Terrassentür auf, um erst einmal Luft hereinzulassen.
„Mischa?“, lallte Jo und versuchte aufzustehen.
„Scheiße!“ Michael merkte, dass ihm die Galle hochkam, so wütend wurde er. Wie konnte sich Jo so seinem Sohn präsentieren? Wie konnte er sich derartig gehen lassen?
„Du verdammte Trümmertrine wanderst sofort ins Bett und schläfst deinen Rausch aus.“ Grob zog Michael Jo auf die Füße, spürte den allzu vertrauten Körper, der gegen seinen taumelte, und kämpfte gegen das Bedürfnis an, ihm eine hinter die Ohren zu hauen. Allein aus dem Grund, dass er sich nun mit ihm herumplagen durfte.
„Die Treppe hoch und das letzte Zimmer links“, sagte Marty leise.
„Zieh die übrigen Rollläden hoch und lass Luft in diesen Pumakäfig.“
Marty folgte seinem Kommando und er schleppte Jo die Treppe hinauf. In dessen Schlafzimmer ließ ihn Michael einfach auf das Bett mit der Blümchenwäsche fallen.
„Mischscha …?“
Es war wirklich unverschämt, seinen Namen dermaßen zu nuscheln. Michaels Ärger kannte keine Grenzen.
„Schlaf deinen Rausch aus. Wir reden später.“ Er schlug die Tür hinter sich zu und atmete erst einmal durch.
„Hrrgh!“ Mehr fiel ihm dazu nicht ein, also suchte er Marty. Der hatte mittlerweile Gesellschaft bekommen. Ein weiterer Knirps von etwa zehn oder elf Jahren stand neben ihm und sah Michael unsicher durch seine blonden Haarsträhnen an.
„Ein weiterer Ableger von Jo?“, fragte Michael.
Marty gab seinem Bruder einen Schubs und der nickte. Gut erzogen streckte er Michael die Hand entgegen und sagte ein bisschen schüchtern: „Ich bin Lucas.“
„Hi. Micha.“ Okay, damit war die Vorstellungsrunde beendet. Michael schaute sich um, seufzte angesichts des Chaos und übernahm wie selbstverständlich das Regiment:
„Marty, du kochst extra starken Kaffee und verschaffst dem Staubsauger ein bisschen Bewegung. Wo kommt das Leergut hin?“
„In den Keller“, antwortete Marty.
„Okay. Lucas, du
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