Waldos Lied (German Edition)
glaubte nicht mehr an eine Einigung der Fürsten. In der Zwischenzeit hatte Heinrich in der Auseinandersetzung mit den Sachsen und den Thüringern immer mehr an Boden verloren. Die Hasenburg war inzwischen gefallen, und die Männer der Burg Vockenrode kämpften einen aussichtslosen Kampf. Auch für die Spatenburg sah es nicht gut aus. Nur die Harzburg stand und wankte nicht.
Da griff Heinrich zu einem verzweifelten Mittel. Er beschloss, sich den Sachsen so bald wie möglich in einer offenen Feldschlacht zu stellen. Er rief alle Fürsten mit ihren Truppen zu sich nach Hersfeld, indem er ihnen große Versprechungen machte und sie beschwor, ihm doch in Gottes Namen zu Hilfe zu kommen. Herzog Rudolf kam diesem Ruf nicht nach. Er sandte nur eine Botschaft an Heinrich, dass er ihn in dem Krieg gegen die Sachsen nicht unterstützen werde. Viele andere Fürsten blieben der anberaumten Zusammenkunft ebenfalls fern. Und die meisten derer, die kamen, erklärten dasselbe wie der Herzog von Schwaben: Keiner von ihnen werde zur Unterdrückung Unschuldiger in den Krieg ziehen. Wenn die Sachsen zum Schwert gegriffen hätten, dann nur, weil sie vom König dazu gezwungen worden seien. Unter jenen, die dem König ihre Hilfe verweigerten, waren große Namen: die Erzbischöfe Siegfried von Mainz und Anno von Köln, Bischof Werinher von Straßburg, Bischof Adalbert vom Worms, der vor dem König aus seiner eigenen Stadt hatte fliehen müssen, sowie sämtliche anderen Herzöge des Reiches, nämlich Gottfried von Niederlothringen und Dietrich von Oberlothringen, Berthold von Zähringen und Welf von Baiern. Selbst die Vasallen der Äbte Widerad von Fulda und Hartwig von Hersfeld verweigerten den Dienst für den König. Heinrich war dennoch entschlossen, in Sachsen einzufallen. Er war mit seinen Truppen inzwischen bis Worms vorgerückt.
Es war noch immer klirrend kalt. Viele der Männer, mit denen die Sachsen und Thüringer Heinrich entgegen zogen, fielen der Eiseskälte zum Opfer. Und als die Reiter bei einem Unwetter auf einen engen Pfad gerieten, überfiel sie im Rücken ein schwerer Schneesturm, ließ sie den Weg verfehlen und bedeckte die Toten mit einem weißen Leintuch.
Am i. Februar des Jahres I074. standen sich die Truppen Heinrichs und die vereinigten Heere der Sachsen und der Thüringer schließlich bei Vacha an der gefrorenen Werra nordöstlich von Hersfeld gegenüber. Der König hatte nur ein kleines Heer von einigen tausend Mann zusammengebracht. Zumeist waren es Kämpfer ohne jede Erfahrung — Bauern, Kaufleute und viel einfaches Volk. Die Sachsen und die Thüringer dagegen kamen mit vierzigtausend kampferprobten Männern.
Und als schließlich die Sonne aufging und der König sich mit seinen Truppen Hersfeld näherte, sahen die Menschen links und rechts des Sonnenballs zwei strahlendgoldene Säulen. Das nahmen sie als Zeichen ebenso wie andere, die um die Stunde des Hahnenschreis einen Regenbogen am klaren Himmel gesehen hatten.
Da besann sich Heinrich und schickte Unterhändler zu den Gegnern. Doch gleichwohl plünderten seine Truppen das Land um Hersfeld aus und verwüsteten es. Wieder schritt er nicht gegen dieses Unrecht ein, um die Treue seiner Männer nicht aufs Spiel zu setzen. Die Unterhändler wechselten zwischen den Lagern hin und her, und am Ende gab der König zähneknirschend nach. Er hatte angesichts der Übermacht der Sachsen und Thüringer auch keine andere Wahl. Am z. Februar wurde der Friede von Gerstungen geschlossen. Heinrich stimmte dem Abbruch aller seine Burgen in Sachsen und Thüringen zu. Er versprach außerdem, dass Otto von Northeim nicht nur das Herzogtum Baiern, sondern auch seine ererbten Ländereien zurückbekommen würde. Auch bei einer weiteren Forderung der Sachsen lenkte er ein. Diese hatten nämlich verlangt, der König solle sich künftig nicht nur in Sachsen aufhalten, um dort auf ihre Kosten zu leben, sondern lieber endlich einmal den Witwen und Waisen in anderen Teilen des Landes zu ihrem Recht verhelfen.
Rudolf von Rheinfelden konnte es kaum fassen, dass die Sachsen und Thüringer sich zu diesen Friedensbedingungen trotz ihrer Übermacht bereit erklärt hatten.
»Sie sind nichts als Feiglinge und Verräter«, brüllte er in seinem Zorn. »Niemals war der Zeitpunkt so günstig. Selbst Papst Gregor hat Heinrich sich inzwischen mit seinem unklugen Vorgehen zum Feind gemacht. Und nun geben die Sachsen und Thüringer alles auf für diesen windigen Vertrag mit einem König, der immer
Weitere Kostenlose Bücher