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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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waren dies Bourges und Tours. Wann immer es möglich war, folgten wir den Tälern der Flüsse, denn dort waren die Wege oft besser. So zum Beispiel von Bourges nach Tours, wo uns unser Weg immer wieder am Fluss Chèr entlangführte. Das schonte auch unsere Reiseschatulle. Denn Beringo, der Bretone, konnte nicht nur gut mit Pfeil und Bogen umgehen, er wusste auch, wie man Fische fängt und zubereitet. So saßen wir gar manchen Abend vergnügt an unserem Feuer, die Sterne über uns, und freuten uns an einem Mahl, wie auch ein König kein besseres hätte haben können. Durch die Ausflüge mit meinem Freund Udalrich, dem Jäger, hatte ich gelernt, Plätze zu finden, wo Beeren wachsen, und welche Stellen die würzigen Kräuter lieben. Zwar änderte sich die Landschaft, und es gab viele Pflanzen, die ich nicht kannte. Doch in den Klöstern oder von den Bauern lernte ich immer dazu.
    Dann, eines Tages, kamen wir an die Loire. Schon bis dahin war unsere Reise von vielen Eindrücken und Bildern geprägt worden. Doch dieser Strom beeindruckte mich mindestens ebensosehr wie der Rhein, an den ich mich an manchen Stellen sogar erinnert fühlte. Da es von nun an bis zum Meer flussabwärts ging, beschlossen wir, etwas von unserem Silber zu opfern und ein Stück weit den Wasserweg zu nehmen. Ein reichgekleideter Händler, der mit gesalzenen Fischen, Käse, aber auch mit dem kostbaren Meersalz selbst Handel trieb, erklärte sich bereit, uns und den Pferden einen Platz auf dem Schiff zu überlassen, das er zu diesem Zwecke gemietet hatte. Er war ein angenehmer Mann, und er schien sehr wohlhabend zu sein.
    So wurde das letzte Stück der Reise zum Meer zu einem großen Erlebnis. Auch wenn uns besonders während der Abenddämmerung ganze Schwärme von Stechmücken überfielen. Sie brüteten mit Vorliebe in den sumpfigen Niederungen am Ufer eines der vielen Seitenarme der Loire, in die wir steuerten, um das Schiff für die Nacht festzumachen.
    Schließlich passierten wir die große Stadt Nantes. Nicht lange danach weitete sich die Loire zu einem gewaltigen Delta. Hier setzte uns der Schiffer an Land. »Batz«, bedeutete er uns immer wieder und wies nach Nordwesten. »Armorica«, sagte Beringo, der Bretone, leise. »Nun bin ich bald daheim.«
    »Was heißt das?« fragte ich ihn. »Was heißt Armorica? «
    »Land des Meeres«, erklärte Beringo. »Die Veneter, ein Keltenstamm, der einst an diese Küste kam, gaben dem Land seinen Namen. Das sind meine Vorfahren.« Dann wandte der Bretone schnell den Kopf ab. Er wollte wohl nicht, dass wir sahen, wie ihn die Rührung übermannte.
    Da überkam mich zum ersten Mal auf dieser Reise, die nun schon viele Wochen gedauert hatte, die Sehnsucht nach meiner Heimat. Ich fühlte mich plötzlich sehr einsam in diesem fremden Land, dessen unterschiedliche Sprachen ich nicht verstand. Glücklicherweise hatten wir in Beringo einen Begleiter, der sich — zumeist mehr schlecht als recht — verständigen konnte. Denn seine Sprache war das Bretonische, eine Mischung aus jenen alten Wörtern, die noch aus der Zeit der Kelten stammten, der Sprache der römischen Eroberer, der Einwanderer, die später aus Britannien gekommen waren, und die der Normannen. Wenn wir in Klöstern übernachteten, war die Verständigung jedoch nie ein Problem. Die meisten Mönche sprachen recht gut Latein.
    Als ich so über die Sprache nachdachte, erinnerte ich mich an die Stimme. Ich hatte sie seit vielen Wochen nicht mehr gehört. Irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl, sie war einverstanden mit dem Weg, den ich eingeschlagen hatte. Und ich fragte mich mit einer Mischung aus Bangen und Zuversicht, was mich wohl erwartete, wenn wir am Ziel angekommen waren. Ob wir das Kreuz wohl finden würden? Gab es dort Hinweise auf das Schwert mit der Rose? Und dann, ja dann fand ich vielleicht auch eine erste Spur, die mich zu meinen Vorvätern führen konnte. Denn das Schwert war ja mit mir zusammen geraubt worden.
    Wir beschlossen, uns einige Tage auszuruhen. Da Beringo sich in der Gegend auskannte, wurde entschieden, dass wir im Kloster Redon in der Nähe eines Flusses, der Vilaine, um Unterkunft bitten würden. Es lag eine Tagesreise weiter im Inneren des Landes. Ich wusste damals nicht, wie nahe ich dem Kreuz schon war. Sonst hätte ich wahrscheinlich darauf bestanden weiterzureisen. So folgten wir dem Vorschlag Beringos.
    Wir wurden in Redon freundlich von Abt Almodus aufgenommen, einem Mann von gewaltigem Umfang. Er war ein belesener

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