Waldos Lied (German Edition)
Dobrogen, der Mann des Wassers. Das war der Name, den Maelcat mir gegeben hatte, der mein Vater war. Doch sosehr ich mich auch bemühte, ich konnte mich weder an ihn noch an meine Mutter erinnern. Und so saß ich lange Zeit und grübelte, bis die Sonne unterging.
»Dobrogen, gut, dass du wieder da bist, es ist schon spät«, bemerkte mein Onkel, als ich in die Hütte von Gildas zurückkam. Da merkte ich, dass er sich Sorgen um mich gemacht hatte. Doch er stellte mir keine Fragen. Dafür war ich ihm dankbar. Auch Gildas sah mich nur neugierig an. Offensichtlich hatte mein Onkel ihm die ganze Geschichte erzählt.
»Wo ist der Bruder Sophias?« fragte ich die beiden.
»Wir haben ihn begraben. Dort, unter dem Kreuz, als du schliefst. Er sollte nicht zum Fraß der Tiere werden.«
Ich nickte. Dann setzte ich mich zu ihnen. Beringo schien auf irgendetwas zu warten. Dann stand der alte Mönch auf und gab mir etwas Wasser und Käse, dazu einen warmen Brei aus Linsen. Ich aß hungrig.
Dann erst wagte ich zu fragen: »Wann reisen wir?« Beringo schien enttäuscht. »Du willst zurück an den Rhein?«
Ich schüttelte den Kopf. »Zu meiner Familie «
Mein Onkel strahlte. Dann nahm er mich in seine Arme und presste mich an sich. »Willkommen daheim, Dobro-gen.« Ich zuckte zusammen, denn die Wunden an meinen Armen schmerzten sehr in seiner eisernen Umarmung.
Als er es merkte, ließ er mich sofort wieder los. Wir waren beide sehr verlegen.
Ich wies auf meine verbundenen Arme. »Und wem habe ich dafür zu danken, dass ich wieder gesund wurde? «
Gildas brummte etwas vor sich hin. Es hörte sich an wie »kleine Wunde« oder »keine Sache«.
»Ich danke Euch aus ganzem Herzen, Gildas«, sagte ich. »Ich hoffe nur, dass Ihr nicht mit all Euren Gästen so viel Mühe habt.« Da machte Gildas ein ganz seltsames Geräusch. Als ich ihn genauer betrachtete, sah ich, dass er in sich hineinkicherte. »Für einen so kleinen Mann seid Ihr ein ganz schön zäher Brocken«, erklärte er dann und kicherte wieder. Es klang wie das Meckern einer jungen Ziege.
Am nächsten Morgen ging ich noch einmal alleine zum Grab von Sophias Bruder und bat ihn um Verzeihung. Ich wusste, ich musste seine Familie über seinen Tod in Kenntnis setzen. Wieder wallte Zorn in mir auf, als ich daran dachte, wie sehr sie Sophia hatten leiden lassen und dass ich nicht wusste, wie es unserem Kind ging, ob es ein Junge oder ein Mädchen war.
Beringo machte ein ernstes Gesicht, als wir so dahinritten. Ich hatte ihn nicht gefragt, wohin wir reisten. Er würde es mir sagen, wenn er es für angebracht hielt.
»Was ist mit dir, Onkel? «
Er lachte mich herzlich an. »Es ist das erste Mal, dass du mich so nennst, weißt du das? Es tut meinem Herzen wohl. Ja, es liegt mir etwas auf der Seele. Ich wollte es dir erst nicht sagen, aber es muss doch sein. Wir sind auf dem Weg nach Missilac, dem Stammsitz unserer Familie. Aber ich weiß nicht, wie mein Bruder Bronbudgen und seine Familie dich aufnehmen werden. Jeder hier kennt die Geschichte deines Vaters. Bronbudgen war nicht sehr erfreut, als ich ihm bei meinem Besuch berichtete, dass ich dich gefunden habe. Er hat Angst, dass die ganze Geschichte nun noch einmal aufgewärmt wird. Außerdem fürchtet er, glaube ich, dass du
Ansprüche auf dein Erbe geltend machen könntest. Es tut mir leid. Und ich schäme mich sehr dafür. Dein Onkel ist sonst ein guter Mensch, der sich auch um den Besitz der Familie verdient gemacht hat. Nachdem ich nicht mehr da war, musste er sich als der jüngste Sohn um alles kümmern.«
»Ich kann Bronbudgen gut verstehen. Viele Jahre lang hat er sich um alles gesorgt und dafür gearbeitet. Dann kommst erst du zurück und anschließend gleich ich. Also zwei Männer, die mehr Anrecht darauf haben, das Oberhaupt der Familie zu sein als er. Du, weil du der ältere Bruder bist und vor ihm kommst. Und ich, weil ich der Erbe des ältesten Bruders bin. Aber ich will nichts von alldem. Vor allem da mein Großvater meinen Vater damals vom Erbe ausgeschlossen hat.«
»Und ich will nichts, weil ich kein Verwalter bin. Ich kann nur kämpfen, vom Land und wie man es nutzt verstehe ich nichts. Das habe ich meinem Bruder auch schon erklärt. Aber ich wusste, was ich ausschlage. Du weißt es noch nicht. Warte also noch, bis du dich entscheidest.«
Ich war völlig überrascht, als ich das Haus meiner Familie bei Missilac sah. Es war groß, beinahe ein Schloss, mit einem Wehrturm, von einer festen Mauer aus
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