Waldos Lied (German Edition)
für mich keinen Zweifel mehr. Obwohl ich es eigentlich schon früher hätte erkennen müssen. Du hast die gleichen leuchtendblauen Augen wie mein Bruder Maelcat. Das ist unser keltisches Erbe. Ich kann dir allerdings nicht sagen, wo du diese Nase her hast, die dein Gesicht wie eine Knolle ziert. «
Ich wusste nicht, welche Frage ich zuerst stellen sollte. »Dann habe ich also eine Familie und bin nicht allein auf der Welt. Wieso weißt du von dem Schwert? Wie hast du mich gefunden? Und wie soll ich dich jetzt nennen. Beringo oder Guiscuhiarn? « Mir war bewusst, dass die letzte wohl eine ziemlich unwichtige Frage war. Aber in meinem Kopf wirbelten die Gedanken derart durcheinander, dass ich kaum in der Lage war, sie nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen. »Verzeih mir«, fügte ich deshalb gleich darauf hinzu. »Aber bisher war ich Wal-do von St. Blasien, ein Mönch, der keine Familie hatte, der glaubte, dass es einen gerechten Gott gibt. Und nun ist alles anders. Vielleicht ist es besser, du erzählst mir, woher ich komme.«
»Es ist eine traurige Geschichte«, erwiderte der Mann, der mich seinen Neffen nannte. »Bist du schon stark genug, um sie zu hören? «
»Ich bin nicht stark genug, um sie nicht zu hören«, antwortete ich ihm.
»Nun gut. Maelcat, dein Vater, war schon als Junge von ungezügeltem Temperament. Er wollte immer in die Welt hinausziehen, um sein Glück zu machen. Er träumte von großem Reichtum. Denn unsere Familie ist mit irdischen Gütern nicht gerade reich gesegnet. Wir stammen aus einer minderen Seitenlinie des Hauses Penthièvre. Genauer gesagt, war der erste der Herren von Missilac ein Bastard. Seine Mutter wurde mit einem Dienstmann des Edlen von Penthièvre verheiratet. In unserer Familie wird erzählt, dass sie die Tochter eines Fischers war und so schön, dass alle Männer sie begehrten. Doch sie liebte nur den Fürsten. Dieser jedoch soll eine überaus eifersüchtige Frau gehabt haben. Als diese nun hörte, dass die Geliebte ihres Gemahls ein Kind erwartete, fürchtete sie wegen seiner großen Liebe zu ihr um das Erbe ihrer Söhne. Deswegen kaufte sie einen der Diener des Fürsten und zwang das Mädchen während einer kurzen Abwesenheit ihres Gemahls, diesen Diener zu heiraten. Er bekam dafür genügend Gold und Edelsteine, um sich eine neue Heimat zu suchen, weit weg vom Schloss derer von Penthièvre. Sie ließen sich schließlich in der Nähe eines Ortes nieder, der Missilac heißt und am äußersten Zipfel der Bretagne liegt. Nun, aber vielleicht ist das auch alles nur eine Geschichte. Niemand weiß das wirklich so genau, denn es ist lange her. Doch diese Erzählung wurde deinem Vater zum Verhängnis. Sie nährte seine Träume von Ruhm, Reichtum und Macht. Maelcat, dein Vater, war schon als ganz junger Mann gegen den Willen seiner Eltern in den Dienst des kämpferischen Vaters von Wilhelm dem Eroberer getreten: Robert I. war der sechste Herzog der Normandie. Er hoffte, bei ihm sein Glück zu machen.
Mein Bruder wurde viele Jahre vor mir geboren. Mit dem Normannenherzog Robert zog er ins Heilige Land. Deshalb wusste er von dem Schwert. Außer uns gibt es übrigens noch einen dritten Sohn, Bronbudgen. Er war noch ein Säugling, als sich das alles zutrug, was ich dir jetzt erzählen will. Und ich war zu dieser Zeit noch ein kleiner Junge.«
Mein Onkel zögerte. »Es fällt mir schwer weiterzureden. Dein Vater brachte große Schande über unsere Familie.« »Ich flehe dich an, sprich weiter«, bat ich ihn.
Er blickte zu Boden, sichtlich aufgewühlt. Doch dann fuhr er fort. »Nun gut. Du hast das Recht, alles zu erfahren. Es ist ja auch deine Geschichte. Nachdem Herzog Robert im Heiligen Land gestorben war, kehrte dein Vater mit den anderen an den Hof der Normannenherzöge zurück. Dort lebte Roberts unmündiger Sohn, Wilhelm, der Bastard, der Erbe des Schwertes. Der Gedanke an die wertvolle Waffe ließ Maelcat nicht los. Er dachte nur noch daran, wie er sie in seinen Besitz bringen könnte.« Die Stimme meines Onkels wurde leiser. So, als spräche er zu sich selbst. »Diese verfluchte Waffe. Sie schien der Leibhaftige selbst zu sein und hatte seine Seele völlig in Bann geschlagen.« Ich dachte an die Kreuzsplitter in ihrem Griff und biss mir auf die Lippen.
Beringo räusperte sich und sprach dann lauter weiter. »Zu dieser Zeit gab es viele, die den Bastard des Normannenherzogs lieber tot als lebendig gesehen hätten. Sie wollten Männer dingen, um das Kind zu töten. Das Kind
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