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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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starken Granitsteinen und von einem breiten Wassergraben umgeben, der wie ein See wirkte. Das Schloss stand auf einer Insel mitten in diesem See. Nur ein schmaler Steg führte vom Eingangstor aus ans Ufer. Und dieser See lag mitten in einem ausgedehnten Wald, der es vor den begehrlichen Blicken neidischer Menschen schützte. Beringo lachte, als meine Augen immer größer wurden. »Du bist ein Mann von Stand aus einer Familie mit einem guten alten bretonischen Namen, Dobrogen von Missilac. Du mußt dich deiner Vorfahren nicht schämen.«
    »Bis auf einen«, erwiderte ich.
    Mein Onkel biss sich auf die Lippen, sagte aber nichts dazu.
    Bronbudgen hieß mich freundlich in seinem Haus willkommen. Seine Frau Aourken, die »Schöne«, war ein fröhlicher Mensch mit lachenden Augen. Ich glaube, der schwerblütige Bronbudgen liebte sie und seine beiden Kinder sehr, auch wenn es ihm nicht leicht anzumerken war. Als er mir die Hand zur Begrüßung reichte, hatte ich das Gefühl, in ein Gesicht zu sehen, das ich kannte. Später erklärte mir Beringo, dass Bronbudgen meinem Vater sehr ähnlich sehe. Aber auch mir. Keiner von uns konnte seine Verwandtschaft verleugnen.
    Mit der Zeit wurde der ernste Bronbudgen umgänglicher. Er begriff, dass ich nichts von meinem Erbe wollte. Außerdem hatten mich seine beiden Söhne Conwoion und Radouen schnell in ihr Herz geschlossen. Und wenn ich mir diese beiden anschaute, dann versuchte ich mir immer vorzustellen, wie das Kind wohl sein mochte, das Sophia geboren hatte und das ich niemals sehen würde.
    Der Sommer verging, der Herbst kam, fast schien es, als sei ich niemals weggewesen. Hier war ich für alle Dobrogen, der verlorene Sohn, der zurückgekehrt war, der Neffe von zwei angesehenen Männern, von Guiscuhiarn, dem »Eisernen«, und Bronbudgen, dem »Mann vom Geschlecht der Sieger«. Keiner störte sich an meiner Körpergröße. Alle behandelten mich mit Achtung. Und niemand sprach von meinem Vater. Manchmal schämte ich mich, wenn ich daran dachte, dass mein Onkel einmal mein Diener gewesen war, bevor er mein Freund wurde.
    Ich war oft am Meer in dieser Zeit. Es war nicht allzu weit von Missilac bis zur wilden Felsenküste. Außerdem führte mich mein Onkel durch die Gegend. Oft waren wir tagelang unterwegs. Ich glaube, er genoß es, wieder für eine Weile in Bewegung zu sein. Bei einem solchen Ausflug sah ich auch die langen Steine, diese seltsamen Menhire von Carnac, von denen Abt Almodus im Kloster von Redon gesprochen hatte. Da standen sie, Tausende von ihnen. Ich erzählte Beringo, was mir der Abt von Redon dazu berichtet hatte. Er lachte schallend. »Es stimmt, was Almodus da von den Frauen erzählt. Als ich ein Kind war, habe ich sie manchmal heimlich dabei beobachtet, wie sie zu den Menhiren gingen.«
    »Was ist mit dir, Onkel. Hast du keine eigene Familie? «
    Beringo wurde ernst. »Es gab einmal ein Mädchen, das ich gerne geheiratet hätte. Doch da war die Erinnerung an meinen Bruder Maelcat bei den Menschen hier noch zu frisch. Ihr Vater wollte sie deshalb nicht in unsere Familie geben. Danach habe ich niemals wieder eine Frau getroffen, die ich zur Mutter meiner Kinder machen wollte. Außerdem führte mich mein Leben als Kämpfer in weite Fernen, was also hätte ich mit Frau und Kind anfangen sollen?« fügte er dann leichthin hinzu.
    »Also haben mein Vater und das Schwert auch dein Leben zerstört.«
    »So darfst du das nicht sehen, Dobrogen. Denn ich habe dich ja gefunden«, erwiderte er mit fester Stimme.
    In dieser Zeit hielt ich auch das Versprechen, das ich Almodus, dem Abt des Klosters St. Sauveur von Redon, gegeben hatte. Er empfing mich voller Überschwang, denn die Nachricht von der Rückkehr des verlorenen Sohnes hatte sich auch bis zu ihm herumgesprochen. Dann führte er mich, wie damals versprochen, zu Bruder Judicaël, der das Scriptorium leitete. Auch er hatte schon von mir gehört und zeigte mir mit großem Stolz das »Cartulaire«. Es war die schön gefasste Sammlung von Besitzurkunden, Schenkungen und anderen wichtigen Dokumenten aus der Geschichte des Klosters in den letzten beiden Jahrhunderten, die er nun weiterführte. Ich bewunderte die Arbeit und las mit großer Freude darin. Denn so etwas gab es nicht oft. Dann kam ich zu jenen Seiten, die Judicaël geschrieben hatte. »Eure Handschriften gleichen in Schrift und Schmuck denen des Klosters Fécamp!« rief ich erstaunt aus. Denn diese Art der Verzierungen hatte ich auch schon in den Dokumenten von

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