Waldos Lied (German Edition)
mürrisch.
Der Herzog lachte schallend und schlug sich auf die Schenkel. »Nun weiß ich wieder, warum wir dich aus der Abtei St. Blasien mitnahmen.«
Dann wurde er ernst und packte mich mit beiden Händen an meiner Kutte. »Aber mir scheint, Abt Warinharius hat einiges an deiner Erziehung versäumt und vergessen, dir die nötige Ehrerbietung gegenüber deinem Herrn einzubläuen. «
Mit diesen Worten hob er mich an meinem Gewand hoch, so dass meine Augen in seine blickten. Ich hing da wie ein nasser Sack. Das gefiel mir gar nicht. Doch wenn die Füße in der Luft baumeln, ist es schwer, sich zu wehren. Also ließ ich mich einfach hängen.
»Ich warne dich, Zwerg«, fuhr Rudolf fort. »Du magst noch so schlagfertig sein und sogar die Zukunft vorhersagen oder lesen und schreiben können. Wenn du nicht schnell lernst zu unterscheiden, mit dem du gerade sprichst, könntest du schneller im Verlies dieser Burg landen, als dir lieb ist, und dort verrotten.«
Plötzlich riß mein Gewand, und ich landete unsanft auf meinem Hinterteil. Ich wollte mir auf keinen Fall eine Blöße geben, zog den Froccus wieder um mich und rappelte mich unter dem Gelächter des Herzogs auf.
Rudolf betrachtete mich nachdenklich. »Kannst du wirklich die Zukunft vorhersagen? «
Ich zog es vor, ihm darauf nicht zu antworten.
»Nun, machen wir doch einmal eine Probe. Unserer Gemahlin geht es schlecht. Die Niederkunft naht. Was werde ich bekommen, einen Sohn oder eine Tochter?«
Der Zorn über die üble Behandlung machte mich mutiger, als ich eigentlich bin, und ich prophezeite ganz entgegen meiner sonstigen Übung Schlechtes. »Eine Tochter«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Doch dann wurde mir mulmig, und ich beschloss, die schlechte Nachricht etwas zu versüßen. »Aber sie wird einmal eine Königin sein, so wie Ihr ein König sein werdet. Eure Gemahlin wird die Niederkunft überleben und bald wieder zu Kräften kommen. Ihr werdet auch Söhne haben, Herr. Doch Euer Geschlecht wird dereinst durch die Frauen weiterleben.«
Ich weiß nicht, wer mir damals diesen letzten Satz eingab, der Allmächtige oder der Teufel. Doch er sollte sich viele Jahre später auf schreckliche Weise als wahr erweisen.
An diesem Tag fürchtete ich, nun wirklich ins Burgverlies geworfen zu werden. Zu meinem Erstaunen tat Rudolf nichts dergleichen, sondern bekreuzigte sich hastig.
»Bist du mit dem Satan im Bunde, dass er dir solche Worte eingibt? « murmelte er.
Das machte mich wieder wagemutiger. »Nein. Die Engel Gottes kommen auch in ein Rattenloch, und die Sterne singen auch für einen Zwerg ihre Lieder. «
Der Herzog betrachtete mich versonnen. »Nun, wir werden sehen, was von deiner Vorhersage eintrifft. Es ist nicht mehr lange hin bis zur Geburt des Kindes. Was oder wer auch immer du sein magst, du hast dich als unterhaltsamer Kerl erwiesen. Die Herzogin braucht in ihrem geschwächten Zustand Ablenkung von den trüben Gedanken. Es ist ihr erstes Kind. Daher hat sie verständlicherweise Angst vor der Geburt. Sie hat nach dir gefragt. Ich werde dich jetzt zu ihr bringen. «
So wurde ich der Zwerg von Herzogin Adelheid. Wenn sie Schmerzen hatte oder eine ihrer dunklen Stunden über sie kam, wachte ich an ihrem Lager und versuchte, sie mit dummen Sprüchen und Possen abzulenken. Nachts schlief ich auf dem Boden vor ihrer Kammertür. Es machte mich glücklicher, als ich beschreiben kann, wenn ich sah, wie wohl ihr meine Gegenwart tat.
Und dann kam die Stunde ihrer Niederkunft. Kurz davor wies mich die Heilerin aus dem Zimmer, die der Herzogin zusammen mit zwei weiteren Frauen Beistand leisten sollte. Sie hatten den Stuhl für die Geburt schon vorbereitet, ebenso die getrockneten Kräuter. Sie wurden angezündet und der Rauch, der der Schwangeren in die Nase stieg, sollte sie benommen machen und die Schmerzen lindern.
Ich weiß nicht, ob es gewirkt hat. Mit einem langen, gequälten Aufschrei der Mutter kam sechs Stunden später ein neues Menschenkind auf die Welt. Der Tag dämmerte schon herauf. Gleich darauf konnte ich das dünne Weinen eines Neugeborenen durch die hölzerne Kammertür hören. Kurze Zeit später stürzte eine der Frauen heraus, um den Herzog von Schwaben zu wecken und ihm die Kunde von der Geburt zu überbringen. Die Herzogin hatte eine Tochter zur Welt gebracht und die Geburt besser überstanden als befürchtet. Sie war zwar noch schwach und erschöpft, aber die Frauen rechneten nicht damit, dass sie im Kindbett sterben würde.
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