Waldos Lied (German Edition)
schaute mich noch einmal prüfend an und entließ mich dann ohne ein weiteres Wort und ohne meinen erneuten Mangel an Ehrerbietung zu rügen. Im Hinausgehen fiel mir auf, dass er mich am Ende des Gespräches sogar Waldo genannt hatte, nicht Zwerg.
Ich war bei der Unterredung zwischen Honorius und Rudolf nicht zugegen. Doch der Rheinfelder schien nach meinem Rat gehandelt zu haben. Denn nach drei Tagen verließ ein niedergedrückter Papst mit seinem Gefolge die Burg. Ich sah das an den Augen dieses Mannes. Als er kam, hatte in seinem Blick noch Hoffnung gelegen.
Und dann traf zu meiner Verwunderung erneut etwas ein, was ich vorhergesagt hatte: Im Jahre 1064 nach der Geburt des Erlösers war Honorius nicht mehr Papst. Doch nicht das Urteil des Bischofs von Halberstadt entschied am Ende den Streit der Päpste. Auch nicht, dass unser junger König Heinrich nach wütenden Protesten der Fürsten seinen alten Berater Erzbischof Anno von Köln nach Rom schickte, wo dieser Honorius kurzerhand absetzte und Alexander zum Papst erklärte. Die Entscheidung fiel vielmehr durch das Schwert. Honorius II. hatte versucht, Alexander II. mit Waffengewalt vom Apostolischen Stuhl zu vertreiben. Alexander siegte nach einer fürchterlichen Schlacht. So begleiteten statt Freude und christlicher Demut Blut und Tränen diese Wahl.
Noch lange danach reiste Honorius durch die Lande und bezeichnete sich weiter als Papst. Niemand achtete mehr auf ihn.
Jeder tat, was ihm beliebte,
sie plünderten die Kirchen, raubten den Witwen die Habe,
bedrückten Waisen und Unglückliche und taten alles nur mit
Gewalt.
Den Armen setzte das Schicksal den Mächtigen zum Erben;
je mächtiger einer war, desto mehr Schaden richtete er an, kein
Gesetz zog Schranken,
was Recht oder Unrecht war, bestimmte der eigene Wille.
Carmen de bello Saxonico
D as Jahr 1065 war ein gutes Jahr für das Haus Rheinfel- den. Als die Kälte des Winters endlich zu weichen begann, zogen wir nach Worms. König Heinrich IV. war mündig geworden und sollte sich zu Ostern zum ersten Mal mit dem Schwert gürten. Dieses Mal nahm Rudolf mich mit. Die Reise verlief reibungslos und bequem. Sie ging flußabwärts auf mehreren prunkvoll ausgestatteten Dahnen des Herzogs. Gut, für mich blieb nur ein hartes ungemütliches Lager auf den roh behauenen Holzbalken vor dem hochgezogenen Heck des flachen, offenen Schiffes, nicht weit vom Streichruder entfernt. Dafür hatte ich einen guten Blick auf das kleine Sprietsegel und auch auf die Schulter- und Nackenmuskeln der Ruderer. Und das alles war noch besser als laufen oder gar reiten wie ein Teil des Gefolges, das den ganzen beschwerlichen Weg zu Lande zurücklegen musste und deshalb schon lange zuvor vorausgeschickt worden war. Da ich auf der Dahne des Herzogs reiste, konnte ich die Herzogin immer wieder ganz aus der Nähe sehen, mich manchmal sogar mir ihr unterhalten. Sie sprach mich hin und wieder scherzhaft an oder schenkte mir ein Lächeln. Jedesmal schlug mir das Herz bis zum Hals. Meine Liebe zu ihr war mit jedem Tag in ihrer Nähe größer geworden, statt abzukühlen. Das erste Aufglimmen hatte sich zu einer lodernden Flamme entwickelt, obwohl ich wusste, dass sie unerreichbar für mich war. Die eifersüchtigen Blicke von Kuno, dem Neffen des Rheinfelders, störten mich wenig. Wer denkt schon an Falsch und Hinterlist, wenn er auf einer Wolke schwebt? Die Herzogin und ich teilten die Sehnsucht nach der kleinen Adelheid, die bei ihrer Kinderfrau und der Amme auf der Burg geblieben war. Das brachte uns einander nahe, sehr zum Missvergnügen Kunos, der inzwischen natürlich längst begriffen hatte, wie es um mich stand.
Einen Tag vor dem großen Fest von Heinrichs Schwert-leite trafen wir in Worms ein, froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Die königliche Pfalz war prächtig herausgeputzt. Überall wehten die Banner mit dem Wappen Heinrichs IV. im Frühlingswind. Es war Ende März, und die Tage wurden schon merklich wärmer. Fürsten und Bischöfe, reich und bunt gewandet, in kostbarem Damast, in den Bilder eingewoben waren, in Seide oder Purpur, in Mänteln, gefüttert mit Schwanenfedern in leuchtenden Farben, und mit glitzerndem Geschmeide, drängten sich in der königlichen Pfalz. Überall verrichteten Pagen ihren Ritterdienst, Knechte und Mägde trugen Krüge hin und her. Dort briet ein ganzer Ochse über dem Feuer, an anderer Stelle röstete ein Zicklein. Die verführerischen Essensdüfte
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