Waldos Lied (German Edition)
Pferd blutete an den Flanken, so häufig hatte er ihm die Sporen gegeben. Es war über und über mit Schaum bedeckt. Es erschien mir fast wie ein Wunder, dass das Tier nicht zusammenbrach, als er es zügelte. Auch der Bote war völlig erschöpft. Er war Tag und Nacht geritten und hatte große Schwierigkeiten gehabt, uns zu finden. Seine Nachricht war unmissverständlich: König Rudolf wollte, dass ich sofort zu ihm zurückkehrte. Die Wölfe hatten einander zum ersten Mal die Zähne gezeigt. Während wir unterwegs waren, war Rudolf nach Würzburg gezogen, um die Stadt zu erobern, die noch immer auf Heinrichs Seite stand.
Es war nicht einfach, dem Boten zu entlocken, was geschehen war. Er war ein unbeholfener Mann, seine Worte kamen nur stockend. Rudolf hatte wohl während der Belagerung von Würzburg von dem Herannahen der Truppen Heinrichs erfahren und war ihm sofort entgegen gezogen. Sie standen sich schließlich am Neckar gegenüber. Doch es kam nicht zu einer Schlacht. Keiner der beiden Könige schickte seine Truppen über den Fluss. Heinrichs Heer bestehe hauptsächlich aus Kaufleuten, erzählte der Mann verächtlich. Deshalb habe es der Feigling vorgezogen, mit dem König einen Waffenstillstand zu schließen. Danach sollte verhandelt werden, um zu entscheiden, wessen Sache die gerechtere sei. Dem habe König Rudolf zugestimmt, ja sogar erklärt, er werde mit Freuden auf den Thron verzichten, wenn dadurch endlich Frieden einkehre. Ich hörte an seinem Tonfall, dass der Mann nicht damit einverstanden war. Doch er wagte es nicht, über den König in meiner Gegenwart schlecht zu reden.
Dann sei jedoch plötzlich ein großes Heer von Baiern und Böhmen angerückt, auf das Heinrich offenbar schon eine Weile gewartet hatte, berichtete er weiter. Da wollte er auf einmal nichts mehr von einem Waffenstillstand wissen. Seine Spione hatten Rudolf gewarnt, dass Heinrich plane, den Unsrigen in den Rücken zu fallen.
So verschoben wie also unseren Besuch in St. Blasien und ritten wie befohlen zum König. Deshalb war ich nicht dabei, als die Verbrüderung St. Blasiens mit dem Kloster in Marseille stattfand, ich traf zu spät dort ein.
Dabei wäre das völlig unnötig gewesen. In Begleitung des Herzogs von Zähringen war König Rudolf bereits mit seinen Leuten unterwegs an den Bodensee, als wir zu ihm stießen. Auf Geheiß des Papstes hatte er in Konstanz eine Verhandlung gegen Bischof Otto zu führen, den Gregor wegen Simonie mit dem Bann belegt hatte. Die beiden Fürsten waren entschlossen, dem Befehl Gregors VII. den nötigen Nachdruck zu verleihen und Otto aus Konstanz zu vertreiben. Rudolf hatte mittlerweile den größten Teil seiner eigenen Männer und alle Sachsen in ihre Heimat zurückgeschickt. Es war am Ende nämlich doch nicht zum Kampf gegen seinen Rivalen um den Thron gekommen. Die Fürsten Heinrichs hatten sich trotz der Verstärkung durch die Baiern und Böhmen geweigert, in die Schlacht zu ziehen.
So begann der Tanz der Wölfe erneut. Jeder belauerte den anderen, versuchte seine Pläne zu erforschen, seine Schwächen herauszufinden. Noch immer kamen und gingen die Gesandten des Papstes. Noch immer legte sich der Mann auf dem Apostolischen Stuhl auf keinen der beiden Könige fest. Das zehrte an Rudolf mehr, als er es zeigte.
Mir aber waren dann doch noch einige kurze Tage des Friedens in St. Blasien beschieden, bis Rudolf den gebannten Otto von Konstanz der Stadt verwiesen hatte. Danach zogen wir zurück nach Sachsen.
Ich habe nicht gezählt, wie viele Menschen zu mir kamen, um den Zauberer Rudolfs um seine Hilfe zu bitten, während wir durch das Land zogen. Inzwischen ging sogar das Gerücht, ich hätte mit meiner Magie bewirkt, dass es beim Treffen der Heere der Könige am Neckar nicht zu einer Schlacht gekommen war. Es nutzte nichts, dass ich sie abwies. Es nutzte nichts, dass ich ihnen erklärte, ich sei überhaupt nicht dabei gewesen. Das schien die Menschen nur noch mehr in ihrem Glauben zu bestärken. Sie behaupteten, ich sei so mächtig, dass ich sogar durch die Lüfte fliegen könne wie ein Vogel. Da wandte ich die beste Magie an, die ich kannte, und betete mit ihnen, wenn sie zu mir kamen. Obwohl Gott mir immer noch fern war. Nichts als eine vage Erinnerung an eine beglückende Nähe war mir von Ihm geblieben.
Manchen konnte ich aber auch ganz einfach mit irdischen Gütern helfen. Denn der König entlohnte mich gut für meine Dienste. Was übrigblieb, schickte ich ins Kloster St. Blasien.
Kurz
Weitere Kostenlose Bücher