Waldos Lied (German Edition)
überraschte mich. Ich hatte nach all dem, was zwischen uns stand, nicht damit gerechnet, dass er mit mir so offen über die Angelegenheiten des Reiches sprechen würde.
»König Heinrich und Papst Alexander stehen nicht gut miteinander«, begann er, so, als wolle er sich über alles selbst noch klar werden. »Dem Nachfolger Petri ist der wilde Lebenswandel des Königs ein Dorn im Auge. Doch das ist nicht das einzige. Alexander ist auch nicht darüber erfreut, dass sich die Berater des Königs und dieser selbst immer wieder an Kirchengut vergreifen, Klöster schleifen und Kirchen plündern. Insbesondere Bischof Adalbert von Bremen hat sich damit hervorgetan. Heinrich gab Papst Alexander eine ziemlich rüde Antwort auf seine Klagen. Das führte zu Ärger auf dem Hoftag. Einige Fürsten, allen voran Bischof Anno von Köln, tadelten den König heftig dafür und ernteten den Beifall aller.«
»Wart Ihr unter den Fürsten, die Beifall spendeten? « »Anno von Köln hat recht in diesen Dingen. Es ist nur billig, dass der Hirte seine Schäflein verteidigt. «
»Und der Wolf sein Rudel, nehme ich an«, ergänzte ich trocken.
Rudolf fragte nicht, wen ich mit dem Wolf gemeint hatte. Er war mit seinen Gedanken offensichtlich schon ein Stück weiter.
»Sag mir, Waldo, wie stehst du zu den Cluniazensern? «
»Ihr meint zu jenen Mönchen, die sich wieder auf die wahren Werte der Demut vor dem Herrn, der Keuschheit, der harten Arbeit und der Armut nach den Regeln des heiligen Benedikt zurückbesinnen?«
Rudolf nickte. »Diese Bewegung sammelt immer mehr Anhänger. Abt Hugo von Cluny, dem Kloster, dessen Namen die Reformbewegung trägt, ist außerdem der Pate des Königs. Dieser Abt ist ein wahrhaft heiliger Mann, weshalb ihn Heinrich nicht sonderlich schätzt. Ebenso wie die Ansichten seiner Mutter, der Kaiserinwitwe Agnes. Denn auch in Fruttuaria, dem Kloster, in das sie sich nach ihrer Verbannung vom Hof zurückgezogen hat, folgen die Mönche den Regeln des heiligen Benedikt.«
»Ich weiß, Herr«, erwiderte ich. »Abt Warinharius diktierte mir in St. Blasien so manche Nachricht für Cluny und Fruttuaria mit gelehrten Diskursen über die Frage, welches Leben einem Mönch im Dienste Gottes eher geziemt: das eines Vogels, der sich leicht und ohne schweres Gepäck mit Gottvertrauen, Keuschheit, Gebeten und persönlicher Armut in den Himmel schwingt, oder das eines erdgebundenen Wolfes, der nichts im Sinn hat als die nächste Beute. Doch Ihr habt mir noch immer nicht gesagt, welche Sorge Euch umtreibt, Herr.«
»Ich bin der Überzeugung, dass diese cluniazensische Bewegung mehr hervorbringen wird als Mönche, die in Arbeit, Armut und im Gebet leben. Sie wird die Geister der Fürsten und der Menschen im Reich spalten. Denn sie mündet in der Frage, wem die Kirche und alle ihre Ämter eigentlich untertan und zu Gehorsam verpflichtet sind: dem König von Gottes Gnaden oder dem Papst, von dem selbst ein König den Segen und die Vergebung Gottes für seine unsterbliche Seele erbitten muss.«
Ich schwieg erstaunt. So weit hatten sich meine Gedanken noch niemals vorgewagt. »Das heißt, in Frage zu stellen, dass der König von Gott als Herrscher über sein Reich eingesetzt ist, dass er als Stellvertreter Gottes handelt? «
Rudolf nickte. »Ja, das heißt es wohl. Und Heinrich sieht diese Gefahr. Doch er ist zu jung und ungestüm. Anstatt nach Einvernehmen und Einigung zu streben, sucht er Streit mit dem Papst. Das ist nicht gut für unser Reich, denn es zerreißt die Seelen der Menschen. Wie sollen sie denn noch wissen, woran sie glauben können? Was denkst du, Waldo, wird es zu einem Kampf zwischen Papst und König kommen? «
»Wie Ihr bei anderer Gelegenheit sagtet, Herr, bin ich nicht erfahren im Umgang mit den Großen und den Regierungsgeschäften des Reiches. Ich kann nur wiederholen, was Abt Warinharius dazu meinte.«
»Und was meinte er?«
»Dass es in dieser Schlacht, wenn sie denn entbrennt, nur Verlierer geben könne.«
Der Herzog nickte. »Ja, so denke ich auch. Und das ist umso schlimmer, als sich noch ein anderes Unwetter am Horizont zusammenbraut. In Sachsen legt sich der Aufruhr gegen Heinrich gar nicht mehr. Sein Krongut wurde von Kaiserin Agnes und einigen Bischöfen verschleudert. Nun sucht der König dort nach Ersatz, plündert Kirchengut, fordert althergebrachte Rechte und Pfründe ein und verlangt den Zehnten, der ihm seiner Meinung nach zusteht. Doch er strebt nicht nach Verhandlungen und Einigkeit mit
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