Waldos Lied (German Edition)
schon über seine Nachfolge berieten. Rudolf von Rheinfelden brach eilends gen Fritzlar auf, um bei den Beratungen dabei zu sein. Mich nahm er als seinen Berater mit. So verabschiedete ich mich schweren Herzens von der stillen Herzogin Adelheid, die uns langsamer und mit ihrem eigenen Hofstaat nach Tribur folgen würde. Dort sollte die Hochzeit Heinrichs mit Bertha von Turin gefeiert werden.
Wir trafen den König zu Pfingsten in Hersfeld. Er war zu aller Überraschung schnell wieder genesen und lebte wilder als je zuvor, ohne sich um das Wohlergehen des Reiches zu kümmern. Deshalb hatte Bischof Anno von Köln wieder einen Großteil der Regierungsgeschäfte übernommen, nachdem sein Rivale um die Gunst des Königs, der Erzbischof von Bremen, in Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden war. Und um die rebellischen Sachsen zu besänftigen, übereignete Anno den Billungern sowie den Grafen von Stade und Graf Ekbert von Braunschweig viele der Güter und Rechte des Erzstiftes Bremen. Heinrich schritt nicht ein, obwohl Ekbert einer in der Gruppe jener Männer gewesen war, die ihn einst entführt hatten.
In jenen Tagen wurde mir eine große Ehre zuteil, denn der König ließ mich zu sich rufen. Mir zitterten die Knie, als ich mich tief vor Heinrich verbeugte. Sein Gesicht wirkte mürrisch, die Falten auf der hohen Stirn ließen ihn älter erscheinen, als er war. Auch die Krankheit und die vielen durchzechten Nächte hatten Spuren im Gesicht des Königs hinterlassen. Vielleicht war es aber auch die große Verantwortung für die Zukunft des Reiches, die ihn belastete. Heinrich war recht einfach gekleidet. Da so viel von seinem Krongut verschleudert war, hatte er nur geringe Einnahmen. Am Hof wurde nur noch von einem Tag auf den anderen eingekauft, und die Zahl der Gläubiger des Königs wuchs.
Heinrich winkte mich zu sich. Er saß auf einem reich mit Schnitzereien verzierten und mit Brokat bezogenen Stuhl in seinem üppig mit Teppichen ausgestatteten Schlafgemach. Er wies mir mit einer Handbewegung einen niedrigen Schemel zu. So musste ich während des ganzen Gespräches zu ihm aufschauen, was mir nicht unerhebliche Nackenschmerzen bescherte.
Der König zögerte eine Weile. »Es geht mir um eher, nun ja, intime Geschäfte.« Wieder eine Pause. Ich erwiderte nichts. Ich konnte sehen, dass Heinrich sich innerlich wand.
»Von unserem lieben Verwandten Herzog Rudolf von Schwaben erfuhren Wir, dass du ihm schon in manch kniffliger Sache gut geraten hast und auch in der Deutung der Himmelszeichen bewandert bist. Ja, dass du sogar sehen kannst, was sich für andere hinter einem Schleier verbirgt: die Zukunft.« Er räusperte sich noch einmal.
Mir schwante, was Heinrich wollte. Das Erscheinen des Kometen hatte ihn nicht unbeeindruckt gelassen. Beinahe hätte sich mein Gesicht zu einem breiten Grinsen verzogen. Doch es gelang mir, mich zu beherrschen. Noch immer erwiderte ich nichts, sondern schaute den König erwartungsvoll an. Er wirkte in seiner Verlegenheit nun fast schon wieder wie der junge Mann, der er ja eigentlich war.
Da ich nichts sagte, blieb Heinrich nichts weiter übrig, als fortzufahren. Es war ihm merklich unangenehm, doch nun packte er den Stier bei den Hörnern.
»Erzähle, was die Herzogin Adelheid von Schwaben für eine Persönlichkeit ist, da in Kürze meine Vermählung mit ihrer Schwester stattfinden soll. Hat deine Herrin von ihrer Schwester erzählt? Und was bedeutet der Komet, der zu Ostern am Himmel erschien? Einige meiner Berater sagen, dass er Übles für meine Eheschließung bedeute. Wir bitten dich, sprich offen. Ich werde nichts von dem, was jetzt hier gesprochen wird, an meinen lieben Verwandten, den Herzog von Schwaben, weitergeben.«
Bei den letzten Worten sah Heinrich schon fast hoffnungsvoll aus. Mir wurde klar, dass der junge König seine Meinung noch immer nicht geändert hatte. Er wollte Bertha von Turin, mit der ihn sein Vater, der verstorbene Kaiser Heinrich im Alter von fünf Jahren verlobt hatte, nicht zu seiner Königin machen. Da er keinen anderen Weg sah, sich ohne Schaden für das Reich und für seine Ehre von diesem Versprechen zu lösen, hoffte er nun, mit dem Erscheinen des Kometen einen Grund gefunden zu haben.
Doch ich tat ihm diesen Gefallen nicht. »Über meine Herrin Adelheid von Rheinfelden vermag ich nur Gutes zu berichten«, begann ich mit der Beantwortung der ersten Frage. »Sie ist meinem Herrn Rudolf eine fügsame, sanfte und sparsame Gattin, ohne
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