Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
Allmächtige möge uns davor bewahren, dass Heuchelei, Verrat und Missgunst das Reich regieren und nicht mehr die Gerechtigkeit. Sie ist die herrlichste Krone, die ein Herrscher haben kann, und nicht ein mit Edelsteinen besetzter goldener Reif. Denkt daran, mein Sohn und König, auch Ihr werdet eines Tages vor dem Angesicht des Herrn stehen und Euch für Eure Taten verantworten müssen. Bestraft nicht edle Männer für etwas, das sie nicht taten, sondern bestraft die Verleumder.«
    Wohl nur wenige konnten ermessen, wie schwer Agnes diese Worte gefallen sein mussten. Gerade jene über ihre Tochter Mathilde. Doch obwohl sie eine Frau war, hatte sie ein männliches Herz und dachte weit über den Tag hinaus. Alle waren beeindruckt von dem, was sie gesagt hatte, selbst der König. Aber er war auch äußerst zornig. Die Maus entschlüpfte ihm. Heinrich hatte Mühe, sich zu beherrschen.
    Da erhoben sich aus der Versammlung der Fürsten von allen Seiten die Stimmen, die die Verteidigung des Herzogs unterstützten. Viele spürten den Stimmungsumschwung und schlossen sich diesem an. Sie flehten den König an, Rudolf von Rheinfelden in Gnaden ziehen zu lassen. Und den weiterblickenden unter den Fürsten war durchaus auch klar, dass es ihnen bei diesem König schon morgen ebenso schnell an den Kragen gehen konnte wie dem Herzog von Schwaben. Heinrich hatte nicht zum ersten Mal falsche Zeugen gekauft.
    So musste der König endlich nachgeben. Er konnte sich keine weiteren Feinde unter den Fürsten leisten. Und so ließ er verkünden, der Herzog von Schwaben sei vorläufig von seinem Dienst für das Reich beurlaubt. Er möge sich in Frieden auf seine Güter zurückziehen. Ein endgültiges Urteil aber werde erst nach abschließender Untersuchung und reiflicher Überlegung zum Fest des Friedens in Bamberg gefällt werden.
    Auf diese Weise war der Krieg noch einmal abgewendet worden. Doch obwohl der König sich seine Niederlage nicht hatte anmerken lassen, war Herzog Rudolf davon überzeugt, dass Heinrich ihm weiter zürne und nach seinem Besitz giere.
    Die Reise nach Worms hatte mir eine Begegnung beschert, auf die ich schon lange sehnsüchtig gehofft hatte. Ich konnte mit Abt Hugo von Cluny sprechen, dem Mann, dem ich so vieles verdankte.
    Wie schon bei unserem ersten Zusammentreffen fand er mich zuerst. »Waldo von St. Blasien, ich hoffte, dich dort zu treffen, wo wir uns das erste Mal begegneten. Du scheinst die Einsamkeit immer noch zu lieben. Kamst du darum nicht zu mir, um mich zu begrüßen?«
    »Verzeiht, ehrwürdiger Vater Abt. Ich wusste, Ihr hattet wichtigere Aufgaben hier, als Euch mit mir abzugeben. Immer wart Ihr umringt von Menschen, die Euren Rat brauchten. Und da es mir nicht zusteht, gemeinsam mit den Fürsten dieses Reiches zu tafeln, fand sich bis jetzt auch keine Gelegenheit, sosehr ich mir dies auch gewünscht hatte.«
    Hugo von Cluny ging nicht weiter auf meine Worte ein. »Wie ich höre, haben die Mönche von St. Blasien dich auserwählt, um die Lehre des heiligen Benedikt von Fruttuaria in ihr Kloster zu bringen. Die Mutter des Königs, Agnes von Burgund, erzählte mir auf unserer Reise nach Worms von einer Begegnung mit dir. Du scheinst dabei ihre Achtung errungen zu haben. Ich bin froh zu sehen, dass du die Hoffnungen erfüllst, die ich in dich setzte. Doch ich hoffe auch, du bist nicht hochmütig geworden bei all dem Lob, das dir zuteil wird. «
    »Hochwürdiger Vater Abt, ich habe schon lange begriffen, wie wankelmütig die Meinungen der Menschen sein können«, erwiderte ich, glücklich, dass dieser Mann es der Mühe wert hielt, nach mir zu suchen. »Und ich weiß auch, wie gering mein Stand ist. Was immer auch aus mir geworden sein mag, ich verdanke es Euch. Ich werde nie Eure Güte vergelten können, mit der Ihr mir auf meine Briefe geantwortet habt, die ich an Euch schreiben durfte. Wohl nur wenige Schüler haben einen so außergewöhnlichen Lehrer wie Euch. «
    Der Abt von Cluny lachte unbefangen. »Nun tust du mir zuviel der Ehre an, Waldo von St. Blasien. Und du machst dich zu klein. Kleiner, als du ohnehin schon bist. Obwohl du auf mich wirkst, als wärst du ein wenig gewachsen«, fügte er dann hinzu. »Wenn du mir wirklich vergelten willst, was ich auch immer für dich getan haben mag, dann sei ein guter und aufrichtiger Mensch und gebrauche weiter deinen Verstand. Es gibt heute zu viele kleine Geister unter den Großen dieses Reiches. Und dabei brauchen wir große Geister — auch unter den

Weitere Kostenlose Bücher