Waldos Lied (German Edition)
Verderben. Es lockte normannische Plünderer an, die auf reiche Beute hofften. Als sie in seiner einfachen Hütte nichts fanden, quälten sie ihn aufs grausamste. Sie zogen ihm bei lebendigem Leib die Haut in Streifen ab und versengten ihm die Gliedmaßen mit Feuer. Sie glaubten ihm nicht, dass er nichts besitze. Da sprach er ihnen von dem Schwert, denn sein Wille war wie sein Leib gebrochen. Doch von den heiligen Holzsplittern sagte er nichts. Und mit seinem letzten Atemzug rief er die Vergeltung des Allmächtigen auf seine Peiniger herab und belegte das Schwert mit einem mächtigen Fluch, dass jeder, der dieses Schwert an sich nähme, und auch seine Kinder und Kindeskinder sollten bis ins letzte Glied, elendiglich und unter großen Schmerzen sterben. Und ihr Leben sollte einsam sein, ohne das Licht und die Wärme der Liebe Gottes, in der ewigen Dunkelheit der Verdammnis.
Und so geschah es. Es begann schon, nachdem der heilige Mann unter großen Qualen gestorben war. Da schlugen sich die Diebe und Mörder gegenseitig mit ihren Waffen tot, denn jeder von ihnen wollte das Schwert besitzen, das reich mit Diamanten und Rubinen besetzt war. Am Ende blieb nur einer übrig, der Stärkste unter ihnen. Doch auch an ihm erfüllte sich der Fluch. Seine Frau starb im Kindbett. Als er sich eine zweite nahm, da starben auch alle ihre Kinder. Keines lebte länger als einige Tage. So ward er einsam und verlor dazu noch Hab und Gut.
Da wusste er, dass ihn die Rache des Schwertes eingeholt hatte. Er fasste einen kühnen Plan. Er beschloss, Buße zu tun und das Schwert ins Heilige Land zu bringen, in der Hoffnung, dass ihm dann verziehen werde. Das tat er. Und dort wurde er dann auch begraben. Er starb in Frieden mit seinem Gott, denn er hatte dem Allmächtigen das Schwert zurückgebracht. Es liegt nun sicher verborgen im mächtigen Schoß ...«
Hier endete die Geschichte. Und es schloss sich ein Kreis. Ein Normanne hatte das Schwert ins Heilige Land gebracht, und ein anderer Normanne, Herzog Robert, hatte es wieder gestohlen. Ich schaute zu Sophia hinüber. Sie hielt die Lider noch immer gesenkt und schien eifrig zu arbeiten. Als sie meinen Blick spürte, sah sie hoch und lächelte. Da wusste ich, auch sie hatte diese Geschichte gelesen und freute sich für mich. Mit ebenfalls zitternden Fingern machte auch ich mich wieder an meine Arbeit. Als sie schließlich aufbrechen musste, verabschiedete sie sich mit einem leichten Händedruck. Wir hatten den ganzen Tag über kein Wort mehr miteinander gesprochen.
Da befahl mich Rudolf wieder zu sich. Abt Giselbertus teilte es mir noch am selben Abend mit. Der König hatte die Fürsten des Reiches zum Feldzug gegen die Polen aufgerufen. Und der Herzog von Schwaben konnte sich nicht weigern, seinem Ruf zu folgen, denn Heinrich hatte ihn tatsächlich zu Pfingsten wieder in Ehren in seinen Dienst aufgenommen.
Sophia und mich traf der Befehl des Herzogs wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich konnte die Vorstellung kaum ertragen, bald ohne sie sein zu müssen, und fühlte mich des Wichtigsten in meinem Leben beraubt. Doch wenn ich schon nicht bei ihr bleiben konnte, so wollte ich mich wenigstens in Ruhe und ohne diese schreckliche, starre Wächterin von ihr verabschieden. Ich wollte mit ihr allein sein. Nur ein einziges Mal. Am übernächsten Tag schon sollte ich als Kaplan an der Seite des Herzogs in den Krieg ziehen.
Ich sagte es ihr am nächsten Morgen. Sie kam später als sonst ins Gästehaus, und ich hatte schon befürchtet, ich würde sie nicht mehr wiedersehen. Ich glaube, wenn sie nicht gekommen wäre, ich hätte die Zellen der Nonnen gestürmt, um sie zu finden. Ich wusste nicht, ob ich in diesem Krieg überleben würde, und nicht, ob wir uns jemals wiedersehen würden. Zu gehen, ohne sie wenigstens einmal in meinen Armen gehalten zu haben? Nein. Dieser Gedanke war unerträglich. Ich dachte gar nicht darüber nach, ob sie mich genauso sehr begehrte wie ich sie.
Und dann sah ich das blanke Entsetzen in ihren Augen, als ich ihr sagte, dass ich gehen musste. Sie wurde totenblass und schwankte. Hastig und flüsternd, um nur ja nicht die Aufmerksamkeit ihrer Wächterin zu erregen, verabredeten wir, uns in der Nacht heimlich am Steinenbach zu treffen. Ein Stück von der Stelle entfernt, an der er in den Fluss Albe mündet, die ihren Namen von den vielen weißen Schaumkronen hatte, die auf ihren wilden Strudeln tanzen. Nach diesem Fluss war auch die erste Mönchszelle benannt worden,
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