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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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zu können. »Willst du wissen, wo ich die Dokumente gefunden habe?« fragte sie leise.
    Ich nickte. Zu meiner Überraschung lachte sie. »Es war gar nicht so einfach. Es war auch eher Zufall. Und es ist ein wenig unmoralisch.«
    Ich blickte sie fragend an.
    »Ich dachte, nach Schriftstücken sucht man am besten dort, wo schon welche sind. Pergamente sind unter Pergamenten am besten aufgehoben«, fuhr sie fröhlich fort. »Also prüfte ich heimlich nachts jedes Pergament, das ich finden konnte. Tagsüber meldete ich mich krank, um im Konvent bleiben zu können. Es war furchtbar schwer für mich, dich nicht zu sehen«, fügte sie dann hinzu.
    Ich zog sie an mich. »Für mich auch. Ich dachte, ich könnte es nicht mehr ertragen.«
    »Ja, so ging es mir auch«, murmelte sie, den Kopf an meinen nackten Oberkörper gelehnt, und ich spürte das Kitzeln ihrer weichen Haare auf der Brust, als sie bei diesen Worten nickte. »Mir war schon ganz elend«, sagte sie dann. »Doch ich wollte diese Pergamente unbedingt finden. Ich wollte irgendetwas für dich tun, das dich glücklich macht. Das hat geholfen. «
    Sophia lachte noch einmal, leise und zärtlich. »Weißt du, es muss schon anderen so gegangen sein wie uns. Hattest du eine Ahnung, dass es zwischen dem Frauenkonvent und dem Gästehaus einen unterirdischen Gang gibt? Am liebsten hätte ich dich heute überrascht und wäre durch diesen Gang gekommen. Wer weiß, vielleicht hat so manche unfreiwillige Nonne ihren Liebsten auf diese Weise doch noch getroffen. Ach, ich hätte zu gerne dein Gesicht gesehen. Aber das ging ja nicht. Nein, unterbrich mich jetzt nicht. Lass mich bitte zu Ende erzählen. Jedenfalls stieß ich bei meiner Suche nach Hinweisen auf diesen Gang. Von da an war es leicht, obwohl ich fürchterliche Angst hatte. Zum Glück musste ich nicht weit gehen. Gleich hinter dem verborgenen Eingang, in einer Nische, lagen die Dokumente. Dazu noch andere. Doch diese habe ich dort gelassen. Ist das alles nicht wie ein Wunder? «
    »Ja, das ist wie ein Wunder«, murmelte ich, meine Lippen in ihren Haaren, den Geschmack ihres Körpers noch immer auf meiner Zunge. »Doch das Wunder bist du.«
    Noch bevor der Morgen graute, erhoben wir uns und richteten unsere Kleider mit einem letzten gemeinsamen Lachen wieder her. Das nachtfeuchte Gras und die Erde darunter hatten unsere Gewänder ziemlich in Unordnung gebracht. Dann verließen wir den Felsen, wie wir gekommen waren, schweigend und Hand in Hand. Ein letztes Mal streichelte sie am Ufer des Steinenbachs mein Gesicht mit einem Blick, als wäre es das schönste auf der ganzen Welt. Ein letztes Mal hob ich die Innenfläche ihrer rechten Hand an meinen Mund und küsste sie. Ich habe ihre letzten Worte an mich bis heute wie ein Geschenk in meinem Herzen bewahrt.
    »Lebe wohl, Waldo, mein liebster Mann und Gemahl«, sagte sie einfach. Ja, das war ich. Ich hätte mich nicht mehr als ihr Gemahl fühlen können, hätten unsere Familien uns offiziell zusammengegeben. Doch das konnte niemals sein.
    Nur zwei Stunden später nahm ich wieder einmal Abschied von St. Blasien, mit schwererem Herzen als jemals zuvor, denn ich ließ mein wahres Leben dort zurück. Erst viel später wurde mir bewusst, dass ich ihr nicht gesagte hatte, dass ich sie liebte.

 
     
    Gewalt, wie man sie in anderen Teilen
    des Erdkreises zu ertragen pflegt, tun sie uns an.
    Jeder Habenichts und jeder Dahergelaufene
    hindert die Eingesessenen, den gemeinsamen
    Waldbesitz zu nutzen.
    Sie reißen das Weideland an sich und treiben Zugvieh
    und Herden weg,
    sie übergehen die Erben und nehmen mit Gewalt deren Eigen;
    auf jede Weise tun sie uns unrecht.
     
    Carmen de bello Saxonico
     
     
    A uf der Burg des Herzogs waren überall Anzeichen dafür u erkennen, dass Krieg vor der Tür stand. Schon als ich mich der Feste auf dem Stein näherte, sah ich viele Männer am Ufer des Rheins lagern. Einige hatten ihre Waffen neben sich gelegt und ruhten sich aus, andere reinigten oder reparierten sie sorgfältig. Soweit sie zu den Herren gehörten, trugen sie eine Rüstung, Beinschienen oder ein Kettenhemd und hatten prächtige, feste Schilde bei sich. Die einfacheren Kämpfer besaßen, wenn es ihnen gutging, ein Wams aus Leder, einen Schild, der mit dünner Tierhaut bespannt war, oder vielleicht auch einen geflochtenen aus Zweigen, um sich notdürftig vor feindlichen Schwerthieben schützen zu können. Dazu eine Lanze oder auch nur einen mit Eisen beschlagenen Knüppel. Überall

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