Waldos Lied (German Edition)
brannten die Lagerfeuer. Die Pferde hatte man auf einer Wiese zusammengetrieben, weil sie so beim Grasen leichter bewacht werden konnten. Doch es waren weitaus weniger Reittiere als Männer. Die meisten der Kämpfer Rudolfs zogen zu Fuß in den Krieg.
Der Fährmann der Burg wartete schon mit seinem Floß am Ufer auf mich. Der Herzog habe es eilig, mich zu sehen, erklärte er mir.
Ich war erstaunt. Eigentlich hatte ich nicht damit gerech net, dass wir schon vor der kommenden Woche aufbrechen würden. Selbst ich, der Mönch, wusste, dass es seine Zeit brauchte, bis all die Männer versammelt waren, die Rudolf aus allen Himmelsrichtungen seines Herrschaftsgebietes zum Waffendienst befohlen hatte. Viele Stämme schuldeten ihm den Kriegsdienst. Nicht nur die Alemannen, sondern auch Burgunder und Schwaben. Selbst einige Bretonen und Normannen waren unter den Leuten. Man sah es an den Zeichen, die sie auf ihrem Mantel oder ihrem Schild trugen. Es waren Männer, die ihr Schwert für Ruhm und Reichtum verkauften, zumeist nachgeborene Söhne von Edlen oder von Angehörigen des Dienstadels. Als ich in den Burghof kam, wurde ich auch schon von einem Bediensteten abgepasst und ohne viel Federlesens zum Herzog geführt.
»Es ist gut, dass du endlich hier bist, Waldo von St. Blasien«, grollte Rudolf zur Begrüßung.
»Ich kam, so schnell ich konnte. Ganz wie ich es versprochen hatte. Aber warum drängt die Zeit denn so? Wie mir scheint, seid Ihr noch nicht zum Aufbruch bereit.«
»Du sagst es«, fertigte er mich unwirsch ab. »Ich warte noch immer auf einen großen Teil der Männer aus Burgund und auf die meisten Schwaben. Doch das ist es nicht. Ich fühle mich wie ein Wolf, der in einen Käfig gesperrt wurde. Der von allen Seiten mit Eisenstangen malträtiert wird und nun nicht weiß, wohin er sich zuerst wenden soll, um sich zu wehren. Er knurrt, schnappt zu, doch seine Zähne verletzen keinen seiner Peiniger. Sie sind zu weit entfernt. Und eine andere Waffe hat er nicht.«
»Nun, wie es scheint, habt Ihr doch viele Waffen. In und um die Burg herum lagern meiner Schätzung nach bereits mehr als tausend Männer, darunter auch einige Bauern und Hintersassen des Klosters St. Blasien. «
»Und mit jenen, die auf dem Weg noch zu uns stoßen, werden es am Ende mindestens an die dreitausend sein, die ich für den König aufbieten und unterhalten muss. Doch ich glaube fast, du spottest über mich und verstehst mich mit voller Absicht falsch. «
»Nichts liegt mir ferner, Herr«, versicherte ich eilig und mit so ernster und überzeugender Miene, wie ich konnte.
»Gut. Ich habe jetzt nämlich keine Zeit für Scherze. Ich fühle mich in die Enge getrieben. König Heinrich will in Goslar eine Versammlung abhalten und hat alle Fürsten des Reiches dorthin berufen. In seinen Botschaften ließ er mitteilen, er plane einen Feldzug gegen die Polen und möchte den Überfällen durch die heidnischen Liutizen, diesen aufrührerischen Stämmen in den Grenzgebieten des Reiches, für immer ein Ende bereiten.«
»Das habt Ihr mir in Eurer Nachricht bereits mitgeteilt, Herr«, erinnerte ich ihn.
»Das weiß ich selbst. Doch ich glaube nicht an diese Pläne. Ebensowenig wie viele andere Fürsten des Reiches. Und am wenigsten die Sachsen. Denn sie fürchten, dass dieser Feldzug nur ein Vorwand für Heinrich ist, um in das Land der Sachsen einfallen zu können, um ihnen auch noch das letzte zu nehmen, was sie besitzen. Bei Hof wird inzwischen offen darüber gesprochen, dass der König die Sachsen verachtet. Er behauptet, sie taugten nur dazu, Sklaven zu sein. Und wie Sklaven behandelt er sie auch. Er baut Burgen in ihrem Land und bemannt sie, um es sich zu sichern. Selbst die Hochgeborenen müssen auf Befehl seiner Männer die niedrigsten Dienste tun. Und wenn die Sachsen es wagen, sich zu wehren, schickt er seine Männer sengend, plündernd und mordend durch das Land. Ich hörte sogar von einem Fall, da haben die Männer des Königs viele Frauen in eine Kirche getrieben. Und dort, im Angesicht des Herrn, wurde jede einzelne von ihnen vergewaltigt. Ihre Ehemänner standen draußen vor dem Gotteshaus in Fesseln und mussten die verzweifelten Schreie ihrer Frauen und Mütter mit anhören. Als die Leute des Königs ihre Lust an den Frauen gestillt hatten, da steckten sie die Kirche an. Alle Eingeschlossenen verbrannten bei lebendigem Leib. Die gefangenen Sachsen schlachteten sie ab wie Vieh. Also, Waldo, sag mir, wie soll ich mich verhalten? Es
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