Waldos Lied (German Edition)
aus der dann schließlich das Kloster St. Blasien entstanden war, die Cella Alba.
Sophia war schon am vereinbarten Treffpunkt, als ich kam. Ihr Gesicht wurde vom sanften Licht des Vollmondes gestreichelt. Wie ich in diesem Moment den Mond beneidete! Meine ganze Sicherheit hatte mich plötzlich verlassen. Ich liebte sie. Aber liebte sie mich auch? Doch alle Zweifel waren wie weggeblasen, als ich in ihre Augen blickte. Dort glühte dasselbe Feuer, dieselbe Sehnsucht. Impulsiv streckte sie mir ihre Hand entgegen, als sie mich auf sich zukommen sah — und hätte sie vor lauter Verlegenheit gleich darauf beinahe wieder weggezogen. Doch ich ließ es nicht zu. Ich brannte lichterloh. Selbst meine Hässlichkeit, mein Hinken, der Grund für so viel geheime Scham in meinem Leben, all das war in diesem Moment vergessen. Ich nahm ihre Hand und hielt sie fest. Ihre Finger zitterten in meinen.
Ich führte sie an jenen Ort, der mir nach dem Chorraum der Klosterkirche am meisten bedeutete. Ich brachte sie zu dem Felsen mit der Buche. Denn hier, so schien es mir, würde sie erkennen, wie es in mir aussah, ohne dass ich es erklären musste.
Sie wehrte sich nicht, als ich sie ins nachtfeuchte Gras bettete. Sie hob die Hand und strich mit einem Finger sanft über meine Stirn. Sie fuhr der Kontur meiner Nase nach, erforschte meine Augenbrauen, strich mir über die Lider. Als dieser Finger meinen Mund erreichte, hielt mich nichts mehr zurück. Keine Scham, kein Gedanke daran, dass ich ein Mönch war und sie eine Nonne. Wir waren einfach zwei Menschen, die einander ihr Leben lang gesucht und die das Schicksal für kurze Stunden, für diese eine Nacht, zusammengeführt hatte.
Was soll ich von dieser Nacht erzählen, ohne wie ein lüsterner, schamloser Narr zu erscheinen? Nun, vielleicht bin ich das. Soll ich schildern, wie ich ihr den Schleier der Nonnen vom Kopf nahm, und dass sich ihr geschorenes Haar anfühlte wie der weiche Pelz eines jungen Tieres? Oder wie unsere Hände begannen, einander die Kleidung zu lösen? Wie wir, erst ungeschickt, und dann immer wilder und begieriger, gegenseitig unsere Körper erkundeten, zuerst mit den Händen, dann mit der Haut, dann mit dem Mund. Dass keiner von uns beiden dabei das Gefühl hatte, etwas Verbotenes zu tun? Ich folgte der Linie ihres klaren Gesichtes, ihren weichen, vollen Brüsten, deren Warzen sich hart meinen Händen entgegenreckten. Ich erforschte das Tal dazwischen, die zarte Rundung ihres Bauches und die warme Feuchtigkeit ihres Schoßes, der sich meinen Händen entgegenhob und drängte, als sei er nur für diesen einen Moment geschaffen worden. Oder soll ich niederschreiben, dass ich fast verbrannte vor Verlangen, als auch sie begann, meinen Körper zu liebkosen, bis hinunter zu meinem harten und pochenden Geschlecht? Wie sie es mit einem Aufstöhnen streichelte, fest packte und mir dann ihren Körper entgegenbog?
Als ich in sie eindrang, stöhnte sie nicht aus Schmerz, sondern aus Lust. Ihre Schenkel öffneten sich noch weiter, um mich ganz tief in sich aufzunehmen. Ich folgte ihrem Verlangen willig und mit aller Macht meines eigenen Begehrens. Ich stieß in sie, so tief ich nur konnte, erst sanft und dann mit aller Kraft. Mit jedem Stoß kam sie mir noch weiter entgegen, unsere Körper fanden sich zu einem Rhythmus. Und dann gab es nichts mehr außer uns auf dieser Welt. Kein Leid und kein Grauen, keine Furcht, keine Einsamkeit. Nichts.
Mein Verstand sagte mir später, dass es Unrecht, eine schwere Sünde war, was wir damals taten. Doch mein Gefühl glaubt bis heute nicht daran. Selbst jetzt, da ich alt bin und das Leben bald hinter mir liegt, empfinde ich diese Nacht immer noch wie ein großes Geschenk. Diese Nacht mit Sophia ist das größte Wunder in meinem Leben.
Wir sprachen nicht viel in jener Nacht. Es genügte uns, den anderen zu liebkosen und uns immer wieder dem Verlangen hinzugeben, das uns überschwemmte. Wie Ertrinkende klammerten wir uns schließlich aneinander. Denn nach jeder weiteren Vereinigung wurde uns auch bewusst, dass es fair uns nur diese eine Nacht gab.
Ich dachte darüber nach, wie töricht wir Männer doch sind. Wir glauben, wir sind die Besitzer und die Herren der Welt. Doch es waren drei Frauen, die mir, jede auf ihre Weise, eine wichtige Geschichte geschenkt hatten. Frauen sind die eigentlichen Hüterinnen des Lebens. Nicht die Kriege, nicht die Macht, sondern sie verbinden uns Männer mit der Zukunft. Wieder schien Sophia meine Gedanken lesen
Weitere Kostenlose Bücher