Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
solle darüberreiten, der mir das Gold darbrächte, das unter Fafnir lag."
"Nie sah ich so schönes Weib!" sprach Sigurd, "du bist nach meinem Sinn; dich will ich zum Weibe haben."
"Und hätt’ ich zu wählen unter allen Männern; ich will dich und keinen andern." Und sie festigten unter sich mit Eiden ihr Verlöbnis.
VI. Sigurd und die Giukungen.
1. Sigurds Vermählung.
Sigurd zog bald wieder aus in die Welt, Ruhm zu gewinnen. Er ritt Grani und führte Fafnirs Schätze mit sich. Sein Schild flammte in rotem Gold, darauf war ein Drache gemalt; dunkelbraun oben und rot unten. Er trug eine Goldbrünne; mit Gold geschmückt waren alle seine Waffen; Helm, Rock und Sattelwerk; darauf glänzte das Drachenbild und jeder erkannte daran den Fafnirstöter. Sigurds Haar war lichtbraun und fiel nieder in grossen Locken, dick und kurz; und von derselben Farbe war sein Flaumbart. Er hatte ein offenes Antlitz, die Nase edel geformt, seine Augen waren scharf; nur wenige wagten unter seine Brauen zu blicken. Prächtig waren seine Schultern, von ebenmässigem Wuchs sein Leib. Umgürtete er sich mit dem Schwerte Gram und schritt durch ein wohlgewachsenes Roggenfeld, so reichte der Schuh der Schwertschneide hernieder an die Ährenspitzen. Er war von gewaltiger Stärke, nie mangelte ihm der Mut, Furcht kannte er nicht und seine Lust war; Ruhmtaten vollbringen, seinen Mannen helfen und erbeutetes Gut seinen Freunden schenken.
Giuki [Fußnote: Entstanden aus Gifuka, Gibika (daher sein Geschlecht die Gibichen), ursprünglich ein Beiname Wotans, der ihn als Geber aller Güter bezeichnet.] hiess ein König, der gebot südlich am Rhein über ein grosses Reich. Er hatte drei Söhne: Gunnar, Högni und Guttorm; die waren stets bedacht, der Giukungen Ruhm und Reich zu mehren. Gudrun hiess seine Tochter, deren Schönheit war weithin berühmt.
Grimhild, des Königs Frau, war zauberkundig und grimmgemut.
Einst träumte Gudrun, dass der schönste Habicht ihr auf die Hand flog; sein Gefieder war goldig, und all ihr Gut wollte sie lieber lassen als den Habicht. Eine ihrer Dienstfrauen deutete ihr den Traum: "Ein mannhafter Königssohn wird um dich werben und du wirst ihn sehr lieben."
Bald darauf kam Sigurd an die Burg der Giukungen, und wie er hineinritt, glaubten die Wächter, der Asen einer sei gekommen. Der König ging hinaus und grüsste den Gast: "Wer bist du, der in die Burg reitet, was keiner wagt, es sei denn, meine Söhne erlaubten’s zuvor?"
"Sigurd heiss’ ich, ich bin König Sigmunds Sohn."
"Willkommen sollst du bei uns sein!" sprach Giuki und führte den Gast in die Halle. Alle dienten ihm gern; sein Ansehen wuchs von Tag zu Tag; in Kampf und Spiel war er den Gewaltigsten voraus. Der König liebte ihn wie seine Söhne, diese ehrten ihn höher als sich selbst. Und Grimhild gewahrte bald, wie oft Sigurd Brunhilds gedachte, und wie sehr er sie liebte. Und auch wie keiner sich mit ihm vergleichen konnte, welch übergrosse Schätze er hatte, und sie erwog bei sich, dass es ein Glück wäre, nähme er Gudrun zur Frau.
Eines Abends, als sie beim Trunke sassen, trat Grimhild vor Sigurd und grüsste ihn: "Alles Gute wollen wir dir gewähren; nimm hier dies Horn und trinke." Er nahm es aus ihrer Hand und trank aus. Das war aber ein Vergessenheitstrank, den ihm die Königin gemischt hatte. – Sie sprach wieder: "Giuki soll dein Vater sein, ich deine Mutter, unsre Söhne deine Brüder und alle, die ihr euch Eide leisten wollt." Sigurd nahm das wohl auf; denn seit dem Trunke dachte er nicht mehr an Brunhild. Er fuhr nun stets mit den Giukungen, wann sie auf Krieg und Heerfahrt zogen, und verweilte gern in ihrer Halle. – Grimhild aber ging zu König Giuki, legte ihm die Hände um den Hals und sprach: "Sigurd ist der grösste Kämpe, den man in der Welt finden mag; gib ihm deine Tochter zum Weib und ein Reich, so gross er’s will."
"Das ist sonst nicht Königssitte, seine Töchter anbieten, aber ihm sie anbieten, ist ehrenvoller als andrer Werbung."
Und eines Abends schenkte Gudrun Met in der Halle und Sigurd sah, wie schön die Jungfrau war.
König Giuki sprach: "Gewaltig hast du, Sigurd, unser Reich gemehrt in diesen Jahren." Und Gunnar sagte: "Bleibe bei uns, ein Reich und die Schwester biet’ ich dir an, und keinem andern gäben wir Gudrun, bät’ er auch um sie."
"Habt Dank für die Ehre," antwortete Sigurd, "und das will ich annehmen."
Er schloss Blutsbrüderschaft mit Gunnar und Högni, und ein herrliches Hochzeitsmahl
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