Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
erklingen."
"Ich wollte," sprach der König, "dass ich das selber könnte."
Da begann Horand eine Weise, die hatte man nie zuvor vernommen und niemand mochte sie lernen, ausser er erlauschte sie auf wilden Meereswogen [Fußnote: Wie Göttern ist Elben und Wassergeistern das Geheimnis des Sanges und der zauberhaften Musik eigen. Von ihnen also hatte Horand die Zauberweise erlauscht.] . Drei Lieder sang er; keinem währten sie zu lang, tausend Wegstunden Reitens wären jedem bei dem Schalle wie ein Augenblick entschwunden, das Tier im Walde liesse von der Weide, die Würmlein, die im Grase gehn, die Fische, die in der Flut fliessen, sie liessen ihre Wege; – also sang er. Wer ihn hörte, dem war alles verleidet, was zuvor ihm guten Klanges deuchte. Der Pfaffen Chor, der Kirchenglocken Läuten lockte ihn nicht mehr. – Alle riss zum Entzücken der fremde Sänger hin.
Da warb schön Hilde mit zwölf Goldbaugen einen Kämmerling, der musste insgeheim den Sangesmeister gewinnen, dass er noch den Abend verstohlen in ihre Kammer komme. Hei! freute sich da Horand. In aller Stille kam er; Hilde bat ihn, niederzusitzen. "Lass mich noch einmal dein Lied hören; deine reine Stimme ist besser als alle Kurzweil."
"Frau, um deinen Dank säng’ ich zu aller Zeit so schönen Ton, dass jedem, der die süsse Weise hörte, sein Leid gemindert würde. Wär’s mir erlaubt, vor dir zu singen, und nähm’ mir nicht darob dein Vater das Haupt – mit allen meinen Liedern wollt’ ich dir dienen immerdar, daheim, in meines Herren Land."
"Wer ist dein Herr? Trägt er Königskrone? Und hat er eigen Land?"
"Reicheren König sah ich nie! Und willst du’s nicht verraten, vielschönes Königskind, dann erzähl’ ich dir alles von meinem Herrn; wie er uns entsendet hat hierher um deinetwillen."
"Ei, lass hören! Was entbietet mir dein Herr?"
"Dass dich sein Herz begehrt! – Lass ihn deiner Güte geniessen. Dich eine hat er erkoren unter allen Frauen."
"Versprächst du mir, zu singen am Abend und am Morgen, wollt ich seine Königin werden."
"Das tu’ ich gern, vieledle Jungfrau! Und meinem Herrn dienen zwölf, die im Gesange vor mir den Preis erringen; – doch die allersüsseste Weise singt er selbst!"
"Ist so geartet dein Herr, dann gehört ihm auf immerdar meine Gunst; ich will ihm seine Liebe lohnen! Wagt’ ich’s vor meinem Vater, wollt’ ich euch gerne folgen."
Da schied der listige Sänger von dannen, verstohlen, wie er gekommen. Es war nun an der Zeit für die Gäste, zur Herberge heimzugehen.
Horand sagte dem alten Wate die Kunde: "Hilde ist unserm Herrn in Minne zugetan."
Und sie berieten, wie sie die Jungfrau entführen wollten und rüsteten heimlich zur Rückfahrt. Die im Schiff Verborgenen hörten’s nicht ungern.
5. Die Entführung.
Danach, am vierten Morgen, kamen die Hegelinge zu Ross in neuem Gewand nach dem Königsschloss geritten; sie wollten scheiden und erbaten des Königs Urlaub.
"Was flieht ihr mein Land?" sprach Hagen. "Ich dachte mit allen Sinnen nur darauf, dass es meinen Gästen hier behagen solle! Und nun wollt ihr schon wieder fort?"
"Der Hegelinge Herr sandte her," antwortete Wate, "zur Rückfahrt mahnend. Auch sehnen sich sehr nach uns, die wir daheim liessen; – da müssen wir eilen!"
"Mir wird’s leid sein nach euch! – Nun empfanget von mir Gold und Gestein, Ross und Gewand, dass ich euch eure Gabe vergelte."
"Herr, wir begehren ein einzig Ding von dir; das dünkt uns grosse Ehre, wolltest du es gern tun; dass du selber unsern Vorrat schautest! Und auch die Königin und deine schöne Tochter sollen unsre Habe sehen; das allein begehren wir. Willst du uns diese Ehre versagen, edler König Hagen, dann bitten wir um keine andre Gabe."
"Die sei euch nicht versagt!" antwortete huldreich der König. "Wenn ihr es denn durchaus wollt, lass’ ich morgen früh hundert Pferde satteln für Mägde und Frauen, und ich selber komme auch, eure schönen Schiffe anzuschauen." –
Die Hegelinge ritten an den Strand zurück und trugen nun alles schwere Kaufgut, Vorrat und Speise aus den Schiffen aufs Land. Die Schiffe wurden leichter. Frute von Dänemark, der war klug!
Am nächsten Tag in früher Morgenstunde ritt Hagen mit den Frauen, von tausend Recken geleitet, nach dem Strande zu den Schiffen. Die Frauen hob man von den Rossen. Am Ufer stand der Kram offen, dass die Königin die Wunder schauen mochte.
Niemandes Zorn noch Kummer wägte Wate da lang, noch fragte er viel, wer die Sachen nähme,
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