Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Verschmähen. Hettel bat ihn, das Werben zu lassen. Zornwilde Antwort entbot Herwig: "Fortwerben will ich, und wär’s auch mit Schwert und Schild, euch allen zu Schaden."
Er gewann dreitausend kühne Mannen, das schwere Spiel mit den Hegelingen zu wagen. Hettels Degen hatten Herwigs Drohung verachtet. – In morgenkühler Stunde langte Herwig vor des Königs Feste an, da alles Volk noch schlief. Nur der Wächter rief laut von der Zinne herunter:
"Wacht auf, ihr da unten! Waffnet euch! Ich sehe Helme blinken, fremde Gäste nahen der Burg."
Hettel eilte herzu; da sah er Herwigs Recken an das Tor stürmen in machtvollem Andrang.
Bald standen hundert Gewaffnete um Hettel; nun griff er selber nach Schild und Schwert und führte sie hinaus. Sie waren allzu kühn; tiefe Wunden gewannen sie vor der Burg im Kampf gegen die Stürmenden. Kudrun, die Schöne, sah’s zu blutiger Augenweide; Herwig deuchte ihr wacker; das war ihr lieb und leid!
Herwig und Hettel sprangen ein jeder vor seine Schar und trafen sich im Kampfe. Feuerfunken stoben unter ihren starken Streichen aus Schild und Helmgespäng; jeder fand seinesgleichen. Kudrun sah und hörte das. Unstät, wie ein Ball, rollt das Glück im Gefecht; die schöne Frau wollte Vater und Feind scheiden und rief vom Saal hinab: "Hettel, hehrer Vater! Wie fliesst das Blut aus den Brunnen zu Tal, allum bespritzt sind unsre Mauern; Herwig ist ein übler Nachbar! Ihr sollt euch versöhnen um meinetwillen; gönnt euch eine Weile Ruh’ im Streit; ich will Herrn Herwig fragen nach Adel und Macht seines Geschlechts."
"Friede soll sein, Frau, lässt du mich ungewaffnet vor dich kommen," rief Herwig ihr zurück. "Frage, was immer du willst, gern geb’ ich dir Antwort."
Der Kampf wurde eingestellt und mit hundert seiner Mannen ging Herwig hin zur "mutentzweiten" (d. h. schwankenden) schönen Kudrun, wo sie inmitten ihrer Frauen sass. Er begann zögernd: "Mir ward gesagt, dass Ihr mich verschmäht, weil ich Euch zu gering bin, und doch findet oft der Reiche bei Armen Lieb’ und Wonne."
"Welche Frau," antwortete Kudrun, "könnte solchen Mann nach solchen Heldenstreichen hassen! Glaubt mir, ich verschmähe Euch nicht; – keine Maid ist Euch holder, als ich es bin. Vergönnen’s meine Gesippen, so will ich Euch gern folgen."
Er sah ihr in die Augen mit Blicken voller Liebe; sie trug ihn im Herzen und hehlte es nicht.
Da fragte König Hettel, nach der Hegelinge Rat, seine Tochter, ob sie Herwig zum Manne nehmen wolle?
"Nicht bessern wüsst’ ich mir zu wünschen," antwortete sie, und so ward die schöne Kudrun Herwig von Seeland anverlobt. Freud’ und Leid ward ihm kund durch sie.
2. Kudrun wird geraubt.
Siegfried, ein Fürst von Morland [Fußnote: Morland ist an der Nordseeküste du suchen; die Bedeutung "des Moores" wird zu Grunde liegen. (Bemerkung Guhl: man denke wohl eher die Mauren, die "Mohren", in Spanien; die folgenden Ortsnamen passen dazu.)] , liess Schiffe rüsten und entbot seine Genossen zu einem Streifzug in Herwigs Reich. Um die Maienzeit kamen die Recken über See gefahren von Abakie [Fußnote: Orientalische Namen.] und Alzahe; stolz fuhr da mancher einher, der bald im Staube liegen sollte!
Brennend und raubend trugen sie den Kampf in Herwigs Lande. Schnell entbot der Fürst seine Mannen und zog den Seeräubern entgegen. Lange und grimmige Schlacht ward geschlagen; wie viele auch der Friedebrecher fielen, Herwig kam in grosse Not. Er musste in seine Warte fliehen; meilenweit ringsum rauchten seine verheerten Lande. Er entsandte einen Boten nach Hegelingen um Hilfe. Aber noch ehe der vor Kudrun kam, hatte die Schreckensmäre sie schon erreicht: "Weh," rief sie dem Sendemann entgegen, "verloren hab’ ich Land und Ehre!"
Sie stand auf, eilte zu König Hettel und schlang weinend ihre Arme um seinen Hals: "Hilf uns, König! Wenn nicht deine Recken der Not steuern, vermag niemand Herwigs Unheil zu wenden."
"Ich will ihm Hilfe bringen," antwortete Hettel, "ich entbiete Wate und meine andern Kämpen."
Der König brach sogleich auf mit seinen Mannen; weinend und doch mit Freuden sahen Hilde und Kudrun ihn scheiden. Am dritten Morgen folgte ihm Wate mit tausend Recken nach; am siebenten gesellte sich Horand mit viertausend Streitern dem Heerzug, und Morung von Waleis – der schönen Frau zuliebe stritt er gern! – führte zweitausend ins Feld; sie fuhren wohlgewaffnet und ritten fröhlich von dannen.
Ortwein kam mit viertausend Recken über die See um der
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