Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Schwester willen.
Unterdessen litt Herwig bittre Not; was er unternahm, misslang; bis dicht an sein Burgtor ritten schon seine Feinde; als aber die Hegelinge eintrafen, wandte sich das Siegesglück.
Hart bedrängt sorgten die Friedebrecher zur Nacht, ob sie den Morgen noch erleben würden. Sie wichen aus ihrem Lager in eine Feste, deren eine Seite durch einen Strom gedeckt war; Schritt für Schritt mussten sie den Rückzug erkämpfen; Hettel und Siegfried taten ihr Bestes in heldentapferm Streit; manch lichter Schildrand wurde von ihrer Hand durchhauen. Siegfried wagte nicht mehr, offene Feldschlacht zu bieten; er brauchte all seine Kräfte, sich hinter den Mauern der erreichten Burg zu verteidigen. Wate schloss ihn von der See ab und Frute legte sich vor die Tore, und so, von ihren Feinden umklammert, blieben die Seeräuber voll Angst und Not eingeschlossen.
Unterdessen eilten normannische Späher zu Ludwig und Hartmut und meldeten ihnen, dass Hettel, fern seinem Reich, in Kampf liege. Da scharten die Normannenkönige zehntausend Krieger zusammen, Kudrun zu entführen, ehe noch Hettel mit seinen Mannen wieder nach Hegelingen käme. Wie eifrig hatte es Gerlind, zu rächen, dass Hettel Hartmuts Werbung schmählich abgewiesen hatte; hängen wollte sie beide, Wate und Frute. "Allen Frauen," sprach sie, "versag’ ich mein Gold und Silber und geb’ es euren Kriegern hin."
"Wenn das geschehen möchte," rief Hartmut, "dass Kudrun hierher käme in unsere Burg Kassiane und mir hold würde, – das wär’ mir lieber als ein weites Reich!"
In Bälde waren kundige Seeleute geworben, die sollten in guten Schiffen das Heer über die Meereswogen steuern. Nicht lange dauerte die Fahrt; sie segelten vorüber an Nordland und gingen im Hegelingenland vor Anker. Hettels Burg lag unfern landeinwärts, und geschwind ritten Hartmuts Sendemänner hin. Sie mussten den Frauen des Normannenkönigs Werbung entbieten. "Und spricht sie nein, so sagt," – befahl Hartmut, – "weder mit Gold noch Gut erkauft sie sich Frieden; dann will ich der vielschönen Kudrun eine blutige Augenweide schaffen. Und sagt ihr ferner, Hartmut weicht nicht aus dem Land! Man soll mich hier in Stücke hauen, folgt mir nicht von hinnen die schöne Hegelingen-Tochter."
Da nun die Boten in die Königsburg kamen, empfing und begrüsste sie Hilde geziemend. Die Recken sagten, was sie zu sagen hatten, aber Kudrun antwortete: "Das soll nie geschehen, dass Hartmut an meiner Seite steht. Herwig heisst, den ich erkoren; ihm bin ich anverlobt als meinem Herrn und Gemahl und keinen andern begehr’ ich."
Die Boten kehrten zurück an den Strand; Hartmut lief ihnen hoffend entgegen.
"Euch ist abgesagt!" antwortete einer, "einen Verlobten habe die herrliche Maid, den sie von ganzem Herzen liebe. Wollt ihr nicht ihren Wein [Fußnote: d. h. friedlicher Gast sein.] trinken, so wird euch heisses Blut geschänkt."
In zornwildem Mut ordneten Ludwig und Hartmut ihre Scharen. Von der Burg sah man fernher ihre Banner flattern. "Grimme Gäste kommen zu meiner lieben Tochter," klagte Hilde. Aber die Burgleute, welche die Stadt und das Land hüteten, sprachen ihr zu: "Was auch Hartmuts Recken hier wagen, wir vergelten’s ihnen mit tiefen Wunden." Die Königin befahl, die Stadttore zu schliessen, jedoch ihre Mannen folgten nicht; sie steckten ihres Königs Geldzeichen auf; vor den Burgmauern, im Freien wollten sie die feindlichen Gäste schlagen. Mit gezogenen Schwertern standen sie, wohl tausend, vor dem Tor. Hartmut kam mit tausend Speerreitern; sie sassen ab und der Streit hob an. Aber bald traf auch Ludwig mit seinen Scharen auf der Walstatt ein. Sorgenvoll sahen die Königinnen seine Banner hoch im Winde flattern, und bei jedem an dreitausend Krieger. Vor der vereinten Normannen Sturm wollten Hettels Kämpen die Tore schliessen; aber wie viele der Normannen man auch von den Mauern herabwarf und herabschoss, – es schreckte sie nicht; sie waren allzu viele; die treuen Burghüter wurden erschlagen, Ludwig und Hartmut kamen ins Tor und trugen ihre Waffen in Hettels Haus. Oben durch die Zinne liessen sie ihr Banner flattern.
Hartmut ging zu Kudrun. "Edle Jungfrau," sprach er, "Ihr habt mich verschmäht; trüg ich’s Euch nach, – dann müssten wir hier, statt zu fangen, alle hängen oder erschlagen."
"O weh, Vater mein!" sprach Kudrun, "wüsstest du, dass deine Tochter gewaltsam entführt wird, mir armem Königskind geschähe nicht der Schade noch die Schande."
Die Burg
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