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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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zu empfangen wird Odin zum ersten germanischen Dichter; nach den drei seligen Nächten folgen für Gunnlöd die langen, bangen Tage des sehnsuchtvollen Grämens, das ihr Leben verzehrt; und auch durch Glanz und Glorie des göttlichen Dichterkönigs klingt die Erinnerung an die gute Maid, "die alles dahingab" und die er verlassen, leis elegisch zitternd nach: "Übel vergolten hab’ ich," fährt Odin fort in seiner Selbstschilderung: "Übel vergolten hab’ ich der Holden heiligem Herzen und ihrer glühenden Gunst; den Riesen beraubt’ ich des köstlichen Tranks und liess Gunnlöd sich grämen".
    Rührender und tiefer und einfacher kann man die alte Geschichte nicht erzählen, "wie Liebe doch mit Leide stets endlich lohnen muss".
    Odin ist aber auch das Urbild des völkerleitenden, völkerbezwingenden, Völker zu Krieg und Sieg antreibenden, fortreissenden Staatsmannes.
    Zwei Gründe sind es, welche in ihm den unablässigen Drang lebendig erhalten, die Völker und Könige gegeneinander zu hetzen, sie stets listig untereinander zu verfeinden, dem Frieden zu wehren, "Zanksamen, Zwist-Runen unter ihnen auszustreuen", bis sie sich in blutigen Schlachten morden, bis Tausende auf ihren Schilden liegen; indes der Gott, der Siegeskönig, der all das angerichtet, seine hohen, geheimen, von den geleiteten Fürsten und Völkern gar nicht geahnten Zwecke dadurch erreicht.
    Einmal ist "Wuotan", der Wütende, die kriegerische Kampflust selbst; er ist der Gott jeder höchsten geistigen Erregung, jeder Begeisterung; nicht minder als die dichterische ist es die kriegerische Begeisterung des Helden, welche er darstellt; jener germanische Heldengeist, welcher, aus den Urwäldern Deutschlands hervorbrechend, in der Völkerwanderung das römische Westreich niederwarf, bis nach Apulien und Afrika, bis nach Spanien und Irland unwiderstehlich vorwärts drang, jener ‘furor teutonicus, den die Römer seit dem "kimbrischen Schrecken" kannten, jene Freude am Kampf um des Kampfes willen; der Drang also, der von der Urzeit bis auf die Gegenwart die deutschen Männer in die Feldschlacht treibt; – es ist der Geist Wotans, der sie beseelt.
    Dazu aber kommt ein zweiter, in dem Grundbau der germanischen Götterlehre wurzelnder Antrieb; Odin muss als Anführer der Asen und all ihres Heers im Kampfe gegen die Riesen dringend wünschen, dass Krieg und männermordende Schlachten kein Ende nehmen auf Erden; denn nur die Seelen jener Männer, welche nicht den "Strohtod" des Siechtums oder Alters in ihren Betten, sondern den freudigen Schlachtentod gestorben sind auf blutiger Wal, nur diese werden von den Walküren nach Walhall getragen und nur diese, die Einheriar, kämpfen an der Seite der Götter gegen die Riesen; jedes Schlachtfeld liefert also dem König der Götter eine Verstärkung seiner Heerscharen.
    Auch dieser Zug Wotans hat in der deutschen Geschichte, im deutschen Volkswesen seine Spiegelung gefunden.
    Denn jene friedfertige Gutmütigkeit der Kraft, welche Donar und Dietrich von Bern eignet, ist doch keineswegs ausschliessend und zu allen Zeiten, wie in den tieferen Schichten des Volks, auch in seinen Leitern und Führern massgebend gewesen. Sie konnte es nicht sein in dem harten Kampf ums das Dasein, den seit bald zwei Jahrtausenden das Germanentum gegen Kelten und Romanen, Slaven und Mongolen, Türken und Tataren zu führen hatte. Mit solch treuherziger Friedfertigkeit allein hätten die Germanenvölker trotz Donars Hammer und seiner Kraft vor den bald an Bildung, bald an Zahl unermesslich überlegenen Feinden nicht bestehen können und wären nicht im Lauf der Jahrhunderte siegreich von Asien quer durch ganz Europa nach Spanien, Süditalien und Afrika und in die neuentdeckten Erdteile vorgedrungen, hätten Rom, Byzanz und Paris überwunden und den ehernen Fuss auf den Nacken des Slaventums gesetzt. Da hat es denn von Anbeginn – danken wir Wotan dafür! – dem germanischen Stamm auch nicht an grossen, kühnen und listigen Staatsmännern und Fürsten gefehlt, welche mit überlegener Staatskunst die Geschicke der Völker in Frieden und Krieg zu ihren geheimen und rettenden Zielen gesteuert. Schon jener Cheruskerfürst Armin, dessen dämonische Gestalt im Eingangstor unsrer Geschichte steht, war in staatskluger Arglist kaum minder gross als an Tapferkeit. Die Not der Völkerwanderung hat dann manchen ränkekundigen Fürsten erzogen, welcher byzantinischer Schlauheit mehr als gewachsen war; und bei dem Bild eines unter ihnen, des

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