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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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gefürchteten Meerkönigs Geiserich, des Vandalen, der aus seinem Hafen zu Karthago sein Raubschiff vom Ungefähr, vom Winde, treiben lässt gegen die Völker, "welchen der Himmel zürnt", scheint die Heldensage geradezu Züge aus dem Wesen Wotans entlehnt zu haben; wie er verschlossen, wortkarg, höchst geschickt gewesen, unter die Fürsten und Völker den "Samen der Zwietracht zu streuen", er, der arglistigste aller Menschen [Fußnote: Siehe Dahn, Könige der Germanen, I, München 1861, S. 151.] . Geschweigen wir Theoderichs und Karls, der Grossen, und gedenken sofort jener gewaltigen staufischen Kaiser, Heinrich VI. und Friedrich II., welche über Päpste, Könige und Völker hinweg ihre grossartige, oft vielfach verschlungene Staatskunst mit den Zielen: Rom, Byzanz, Jerusalem verfolgten; erinnern wir uns jenes preussischen Friedrich, von dessen Staatskunst man das über Geiserich gesprochene Lob wiederholen mag: – "er war früher mit der Tat fertig als seine Feinde mit dem Entschluss" – und erwägen wir die Werke überlegener Staats- und Siegeskunst, welche wir, von göttergesendetem, durch den "Wunschgott" geschenktem Glück getragen, im letzten Kriege mit Frankreich (1870) mit staunenden Augen die deutsche Volkskraft leiten sahen; – gedenken wir Bismarcks – und es überschauert uns ein Ahnen von dem aus der Grundtiefe germanischer Art geschöpften Wesen Odins, des staatsklugen, völkerleitenden Meisters des Sieges.
    Nachdem aus der Naturgrundlage und aus der Geistesart Odins im bisherigen die wichtigsten Folgerungen abgeleitet sind in grossen allgemeinen Zügen, haben wir darzustellen, was im übrigen und im einzelnen zu seinem Bilde gehört [Fußnote: Odin sind Adler und Wolf geweiht und seinen Namen tragen ein kleiner Wasservogel (tringa minima, inquieta, palustris et natans, Odins-hane, Odens-Fugl; auch an der menschlichen Hand der Raum zwischen dem (vielfach heiligen, im "Däumling" personifizierten) Daumen und dem Zeigefinger war ihm als "Wodens-Spanne", "Woen-let" geweiht. Zahlreiche Ortsnamen, dann Namen von Burgen, Quellen, Wäldern, Inseln sind mit Odin-Wotan zusammengesetzt, Wotans-Weg, -Holz, -Hausen, Wedans-burg, -haus, -field, Odins-ey, -källa, -fala usw.] .
    Die reiche Fülle seiner Verrichtungen, Aufgaben und Wirkungen fiel schon der Urzeit auf, die ihn verehrte; diese Mannigfaltigkeit drückt sich in der grossen Menge von Namen aus, deren er sich erfreut (gegen zweihundert, in der Edda allein fünfundsiebzig), auch hierin ist ihm kein andrer Gott vergleichbar; ja die Germanen lassen ihn selbst sich dessen berühmen: "Eines Namens genügte mir nie, seit ich unter die Götter fuhr", und er zählt nun zahlreiche Beinamen auf, welche er bei bestimmten Gelegenheiten, Fahrten, Abenteuern führte; leider ist unsre Überlieferung so stückhaft, dass wir von diesen Begebenheiten nirgends sonst etwas erfahren! –
    Der Wind beherrscht auch das Wasser; so tritt Odin auch als Wassergott auf, als "Hnikar" (vgl. der Neck, die Nixe); er allein gibt als Windgott günstigen Wind, "Fahrwind", den Schiffern; er wandelt auf den Wellen, beschwichtigt sie, gibt dem Schiff, in das er, verkleidet, sich aufnehmen lässt, glückliche Fahrt; so wird er denn auch, wie der Luftgott Hermes-Merkur (mit welchem ihn die Römer verwechselten), ein Gott der Kaufleute, der Schiffs-Frachten.
    Aber nicht nur den Wunsch-Wind spendet Odin, sondern als oberster, als mächtigster Gott kann er mehr als alle andern, überhaupt alle Wünsche der Menschen erfüllen; daher heisst er "Oski", der Wunsch, d. h. der Wunsch-Gott, Wunsch-Erfüller. Und diese Vorstellung war besonders auch südgermanisch, d. h. deutsch; im deutschen Mittelalter wird noch "der Wunsch" personifiziert und vielfach angerufen und gefeiert [Fußnote: Er hat Hände, Blick, freut sich, zürnt, neigt sich; meist steht "Wunsch" hier gleichbedeutend mit göttlicher Wunsch-Gewährung. Wie reich ausgebildet diese Auffassung Wotans war, beweisen die Sagen von dem "Wunsch-Hütlein", "Wunsch-Säcklein", "Wunsch-Mantel", der "Wünschel-Rute". Auch Gibich, der Geber (nord. Giuki), der Stammvater des Königsgeschlechts der Gibichunge (Giukunge), war der Geber-Gott Wotan; vgl. unten "Heldensagen".] ; dass der alte Wotan darin verborgen war, merkte man nicht mehr.
    Als Schlachten- und Siegesgott heisst Odin Walvater, Siegvater, Heerschild (Harbard), Hialmberi (Helmträger); dies leitet hinüber auf die Vorstellung des durch den unsichtbar machenden oder doch die Feinde

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