Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
schnell fing ich sie bei der Hand, warf ihr die Helkappe über, schwang sie vor mich aufs Ross und ritt mit ihr in den Berg und niemand konnte uns sehen. Nun fehlt es ihr an nichts; ich bin kein armer Mann und bald soll unsre Hochzeit sein."
"Lass mich meine Schwester sehen," sprach Dietleib, "und ist alles so, dann will ich sie dir zur Frau geben."
Hildebrand nahm Dietrich beiseite und brachte es zuwege, dass Laurin als Geselle aufgenommen wurde; Wittig hatte keine Freude an dem neuen Speergenossen.
"Kommt nun mit mir in den Berg," sprach Laurin, "ich will euch meine Schätze und Wunder zeigen, und was ich habe, mach’ ich euch untertan."
Die Helden berieten mit Hildebrand: "Ich weiss nicht, wozu raten," antwortete er, "aber gingen wir aus Furcht nicht mit, das stünd’ uns übel an."
"Lasst uns die Bergeswunder ansehen," sprach Dietrich.
"Mit Lügen und Listen wird er uns alle verderben," grollte Wittig. Aber Hildebrand rief Laurin herbei.
"Nun höre, Kleiner; wir wollen auf deine Treue bauen und mit dir gehen."
"Verlasst euch auf mich," antwortete Laurin, und er führte sie an einen hohen Berg. Auf einem grünen Plan, unter einer Linde stiegen sie ab und banden ihre Rosse an. Sträucher und Blumen blühten da, Vögel sangen und allerlei gezähmte Tiere sprangen auf der Wiese.
"So Schönes hab’ ich nie gesehen; die Wiese ist aller Freuden voll," sprachen Dietrich und Wolfhart.
"Lobt den Tag nicht vor dem Abend," mahnte Hildebrand; und Wittig sagte: "Wolltet ihr mir folgen, so kehrten wir um; Zwerge sind aller Listen voll."
Das hörte Laurin und antwortete; "Seid unbesorgt und erfreut euch. Hier gehen wir Elben hin, wollen wir Lust geniessen; dann schmücken wir uns mit Kränzen und tanzen; künftig sollt ihr diese Wiese mit uns teilen. Aber das ist nichts gegen die Wunder meines Berges." Sie gingen nun in den Berg; sie traten durch eine goldene Tür; da standen zwölf Zwergjungfräulein, die verneigten sich artig vor den Helden. Das Tor schlug hinter ihnen zu und man sah nicht mehr, wo sie hereingekommen waren.
"Freunde," sagte Wittig, "ich wähne, wir sind alle betrogen."
"Seid ohne Sorgen, es geschieht euch kein Leid," beteuerte Laurin.
Von Gold und Edelsteinen ergänzte rings die Bergesnacht. Der Zwergkönig führte seine Gäste in einen Saal; auf goldenen Bänken mussten sie niedersitzen und Wein und Met schenkte man ihnen zum Willkomm. Allerlei Kurzweil sahen sie da; in kostbaren Kleidern kamen die Zwerge gegangen; die einen schossen mit Speeren, andre warfen mit Steinen, andre sangen und tanzten; Pfeifer und Sänger, Harfner und Geiger traten vor die Fürsten und liessen ihr Spiel hören: "Die Kurzweil gefällt mir, der Berg ist voller Freuden," sprach Dietrich.
Da kam Kunhild gegangen, umgeben von Zwerginnen; sie trug eine funkelnde Krone. Sie grüsste die Gäste und umfing Dietleib mit den Armen und weinte.
"Vielliebe Schwester," fragte er, "was betrübt dich? Was fehlt dir? Willst du fort von dem Zwerg?"
"Mir fehlt es an nichts," antwortete sie. "Zwerge und Zwerginnen dienen mir; aber mein Herz ist freudeleer; der Zwerge Treiben passt nicht für mich; ich sehne mich unter Menschen zurück."
"Sei ruhig, Schwester; ich nehme dich dem Kleinen und kostet es mein Leben." Darauf ward die Königin wieder in ihre Gemächer geleitet; Laurin aber bat seine Gäste, zu Tisch zu gehen; sie legten ihre Waffen und Kleider ab und taten festliche Gewande an, die ihnen Laurin überreichte. In einem grossen Saal war ein prächtiges Mahl bereitet. In silbernen Schüsseln trugen die Zwerge duftende Speisen auf. Golden waren Kannen und Becher; elfenbeinern der Tisch und mit Gold beschlagen; leuchtende Steine blitzten überall. Und alle Kurzweil begann von neuem. Während die Berner eifrig tranken und schmausten, ging Laurin zu Kunhild in ihr Gemach und klagte ihr die Schmach, die ihm widerfahren war und die er nicht hatte rächen können; und wär’ es nicht um Dietleibs willen, so ging es ihnen jetzt an ihr Leben.
"Höre, Laurin," sprach die Jungfrau, "hältst du hart auf deine Ehre, so lege ihnen eine leichte Busse auf, damit sie dich künftig in Frieden lassen; aber das gelobe mir, dass du keinem ans Leben willst." Das gelobte er ihr und steckte ein gülden Ringlein an seine Hand; davon gewann er zwölf Männer Stärke. Nun ging er in seine Klammer und liess Dietleib zu sich rufen.
"Lieber Schwager," begann er, "nimm dich nicht deiner Gesellen an; dann teile ich mit dir alles, was ich habe."
"Eh’
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