Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Ekkehart vor Ermenrichs Ankunft ausgeritten in der Harlunge Dienst [Fußnote: Wohl um Hilfe und Lebensmittel zu holen.] . Die Harlunge konnten den Brand nicht bewältigen, aber sie wollten nicht verbrennen, feigen Hunden gleich; von sechzig treuen Mannen gefolgt brachen sie aus der Burg hervor und kämpften, bis vierhundert ihrer Feinde erschlagen lagen; da wurden die kampfmüden Jünglinge von der Überzahl mit den Händen gegriffen und gleich gehängt. Ermenrich ging in die Burg, nahm der Harlunge Schatz und zog wieder ab.
Als der getreue Ekkehart heimkehrte, Breisach verbrannt, seine Herren tot fand, liess er alle Burgen im Lande besetzen und befahl, niemand einzulassen. Er selbst ritt nach Bern zu Dietrich und klagte ihm die Märe.
Der Berner und Ekkehart brachen mit einer Heerschar in Ermenrichs Land; das Schloss, in welchem sie den König auf seinem Heimzug antrafen, erstürmten sie, und erschlugen viele Mannen; aber Sibich und Ermenrich entflohen ihnen.
6. Dietrichs Flucht.
"Hüte dich nun vor Dietrich!" sprach Sibich zu Ermenrich. "Denn einmal erzürnt, lässt er nicht mehr vom Kampfe, und willst du Königtum und Leben vor seinem Zorn bewahren, so rüste dich. Seit er König von Bern ward, hat er sein Reich stets gemehrt, aber deins eher gemindert; oder wer erhält Schatzung von Amalungenland? Dein Vater hat es erobert mit dem Schwert, und doch gönnt Dietrich dir nichts davon."
"Wahr ist es, dessen du mich gemahnst!" grollte der König.
"Darum," fuhr Sibich fort, "sende Herzog Reinald mit sechzig Gefolgen nach Amalungenland und fordere Schatzung, und wer dawider spricht, der ist dein Feind."
Der Rat gefiel dem König, und sogleich befolgte er ihn. Die Sendboten ritten aus und beriefen ein Ting nach Garten [Fußnote: Oberitalien: am Gardasee, deutet man.] in Amalungenland. Dort trug Reinald den Landsassen Ermenrichs Gebot vor.
"Bisher haben wir Dietrich gezinst," sprachen die Männer: "Will er die Schatzung Ermenrich übergeben, so ist’s uns recht; aber beiden wollen wir nicht zahlen." Und sie sandten Boten zu Dietrich, die sagten ihm alles, und er möge für sie die Antwort geben. Dietrich ritt mit zwölf Begleitern zu dem Ting, ging mitten unter die Versammelten, hub an zu reden und gab Bescheid. Fest und ruhig klang seine tönende Stimme:
"Mein ist das Recht und mein das Amalungenland; solang ich König von Bern bin, erhält Ermenrich keine Schatzung davon. Wenig Dank weiss ich dir deinen Botenritt, Reinald; fahre heim und sage Ermenrich, was du gehört hast." Eilig kehrte Reinald mit der Antwort zu Ermenrich zurück.
"Siehst du nun," sprach Sibich, "dass Dietrich sich dir gleich dünkt an Würden und Macht?"
"Übermutes ist er voll," rief Ermenrich heissgrimmig. "Mir und meinem Reiche stellt er sich gleich! Lasset die Hörner blasen, auf nach Bern! Hängen soll auch er; dann wissen wir’s beide, wer der Mächtigere von uns ist!"
"Helfe der Wunschgott König Dietrich!" sprach Heime. "Wutverblendet verdirbst du deine Gesippen, einen nach dem andern! Aber du wirft es noch mit Schmach entgelten. An alledem ist der tückische Sibich schuld."
"Ja," sprach auch Wittig, "das wird dir zur grössten Schande werden, Ermenrich, und solange die Welt steht, wird man ihrer gedenken." Und damit ging Wittig hinaus und ritt zu Dietrich.
Aber Ermenrich liess alle Heerhörner blasen; von nah und fern strömten die Krieger heran; alsbald hatte sich ein Heer zusammengeschart, und Ermenrich brach auf, Tag und Nacht reitend, so schnell er vermochte; und auf der Fahrt stiessen noch viele zu ihm, die so schnell dem Heerpfeil nicht hatten Folge leisten können. Heime war unterdessen denselben Weg geritten, den Wittig genommen hatte. Mitternacht war’s, als Wittig vor Bern ankam; er nannte seinen Namen und bat um eiligen Einlass. Sofort wurde er Dietrich gemeldet, der stand auf und empfing ihn freundlich.
"Eilet und fliehet, mein lieber Herr Dietrich. König Ermenrich ist mit einem gewaltigen Heer im Anzug; wenn Ihr den Tag erwartet, seid Ihr verloren! Bei Sonnenaufgang kann er hier sein."
Dietrich ging in seine Halle; schmetternde Hörner beriefen seine Kämpen dorthin zum Rat, da erfuhren sie Wittigs Botschaft.
"Nun wählet," sprach der Berner, "wollen wir bleiben und uns gegen die Übermacht verteidigen, bis wir Land und Leben verloren haben, oder hinwegreiten; Bern ist dann – für jetzt – verloren; aber unsre Kriegsschar und unser Leben sind gerettet."
Hildebrand antwortete: "Nun hilft nichts, wir
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