Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Söhnen und dem jungen Diether."
Nun sprang Rüdiger aufs Ross und zog mit seiner Schar aus der Burg. Ulfrad ritt ihm als Bannerträger voraus. Dann folgten Etzels Söhne und Diether. Herzog Nudung von Walkaburg, Rüdigers junger Schwäher, trug Jung-Diethers Banner. Mit ihnen ritt auch Helferich. Weinend schaute Helche ihnen nach. Da schwang sich auch Dietrich auf Falkas Rücken und sprach scheidend zur Königin: "Frau Helche; ich schwör’s, nicht komm’ ich lebend aus diesem Kampfe, wenn ich deine Söhne verliere."
Meister Hildebrand schwang Dietrichs Banner empor; – in weisser Seide stieg der goldne Löwe; die Königin selber hatte es ihm gegeben, – und ritt vor seinem Herrn zum Tore hinaus. Ihm folgten Wildeber und alle Goten.
Als sich das Heer auf der Strasse südwärts wandte, schickte Dietrich zwei Boten nach Romaburg, die ritten Tag und Nacht, bis sie vor den König kamen, und riefen: "Hör’ uns, König Ermenrich; Dietrich und Diether kehren heim ins Amalungenland. Vergolten wird nun all deine Untreue; ihnen folgen ein Heunenheer und Etzels Söhne. Willst du das Reich wahren, so komm’ ihnen entgegen nach Raben. Nicht wie ein Dieb will König Dietrich sich ins Land stehlen; Heersage haben wir angesagt."
Ermenrich liess den Männern Kleider und Rosse als Botenlohn geben und sprach: "Reitet zurück! Nun ich weiss, dass sie kommen, fürcht’ ich mich wenig vor den Heunen."
Er sandte aber Boten über sein Reich und liess jeden waffenfähigen Mann zum Kampfe rufen; nach drei Tagen und Nächten war in Romaburg ein Heer zusammengeschart von siebzehntausend Reitern, darunter auch Wittig mit seinen Kriegern; die trugen schwarze Hornbögen und Plattenbrünnen. Sibich führte sechstausend Reiter, mit ihnen ritt Ermenrich selber; Herzog Reinald hatte fünftausend, und sechstausend folgten Wittig.
"Dietrich und Diether müssen erschlagen werden," sprach Ermenrich, "und höre, Wittig, vor allem lasst die Söhne Etzels nicht mit dem Leben entrinnen."
"Gern will ich mit Heunen streiten," antwortete Wittig, "doch gegen Dietrich und Diether zieh’ ich mein Schwert nicht."
So zogen sie nordwärts und trafen Dietrich mit seinem Heere bei Raben, nördlich vom Strome (Padus, Po) gelagert.
Ermenrichs Scharen schlugen ihre Zelte nun südlich des Stromes auf. In der Nacht ritt Hildebrand allein auf Spähe aus, den Strom hinab, und traf Herzog Reinald auf eben solcher Fahrt. Sie waren alte Freunde und freuten sich sehr ihrer Zusammenkunft. Als der Mond aufstieg, zeigte einer dem andern, wie die Zelte aufgeschlagen und die Scharen zur bevorstehenden Schlacht geordnet waren.
"Und Sibich, euer grösster Feind," sprach dann Reinald, "führt ein Heer, als erster Herzog."
"Gegen ihn," rief der Alte, "reiten wir Goten; und ich hoffe, ihm seine Bosheit zu vergelten!"
"Das wirst du schwerlich, so wenig ich dir’s wehre; denn ihm folgt allzu viel Kriegsvolk. Der zweite Herzog ist Wittig, euer Freund; mit ihm reiten Amalungen, die haben geschworen, den Heunen die Schädel zu spalten."
"Dem Markgrafen Rüdiger folgen Heunen," sprach Hildebrand.
"Dann führ’ ich meine Schar gegen Rüdiger, und meide so Blutsfreunde und Goten. Freilich muss Wittig dann gegen Etzels Söhne streiten, wiewohl er nicht mit Jung-Diether kämpfen will."
Darauf küssten sie sich zum Abschied und ritten ihren Lagern zu. Sie hatten aber zuvor fünf Wachtmänner Sibichs begegnet, die, Hildebrand erkennend, trotz Reinalds Abwehr, auf den Alten eindrangen und ihm die Helmzier durchhieben.
Da schlug Hildebrand dem ersten den Kopf ab; die übrigen ritten eiligst ihres Weges. Durch sie erhielt Sibich Kunde, dass Hildebrand in die Nähe der feindlichen Zelte gekommen sei; er rüstete sich eilig, mit einigen Mannen ihn zu überfallen. Wie er ausreiten wollte, kehrte Reinald gerade ins Lager zurück und wehrte ihm.
"Willst du den einsam Reitenden erschlagen? So lass ich meine Hörner blasen und du sollst zuerst uns bekämpfen."
"Wie, Reinald," drohte Sibich, "willst du Ermenrich verraten und seinen Feinden beistehen?"
"Das will ich nicht, obwohl ich gegen Verwandte und Freunde kämpfen muss. Doch Hildebrand sollst du nicht überfallen, nun er allein durch die Nacht reitet; in der Schlacht wird er dir nicht ausweichen; dann wehr’ ich dir’s nicht, mit ihm zu streiten."
So musste Sibich sich fügen und Hildebrand kehrte ungekränkt zurück. Er berichtete Dietrich alles, was er in der Nacht erfahren hatte.
2. Die Rabenschlacht [Fußnote: Schlacht
Weitere Kostenlose Bücher