Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
dem Rhein". Die Gartenarbeit wird nun wieder möglich: "Gertrud (= Freya-Gerda) ist die erste Gärtnerin"; d. h. an ihrem Tag (17. März) weicht die Kälte der Frühlingswärme. Gertrud, die "Speer-traute", ist übrigens ein Walküren-Name; sie entspricht Freya; daher auch verbringen alle Seelen Verstorbener die erste Nacht in Sankt Gertruds Saal, die zweite bei Sankt Michael, die dritte erst in Himmel oder Hölle; es ist Freya, welche sich mit Wotan (= Sankt Michael) in die Seelen der Verstorbenen teilt. Auch ist Sankt Gertrud wie einer heidnischen Göttin ein Waldestier heilig: der rothäubige Schwarzspecht (picus martius) der auch "Martinsvogel" heisst, weil er Sankt Martin d. h. Wotan geweiht ist. Derselbe war bei den Italikern ein verzauberter König, Picus, ein Waldgeist, als Vogel aber dem Kriegsgott Mars geweiht, was vielleicht auch auf Sankt Martin (mit Schwert und Mantel) hinführt.
Der Gemahl der Nerthus war nicht Odin, sondern wahrscheinlich ihr Bruder Niördr, welcher sie verlassen musste, als er, aus dem Verbande der Manen scheidend, unter die Asen aufgenommen wurde; denn Geschwisterehe, welche, wie bei andern arischen Völkern, auch bei Germanen in ältester Zeit vorkam, galt den Asen, d. h. dem vorgeschrittenen Bewusstsein, welches die Asen-Religion geschaffen, nicht mehr als erlaubt. [Fußnote: S. unten Wölsungensage.]
VIII. Freya und Frigg.
Freya, die Wanengöttin, war vermählt mit Odr; als sie diesen verlor, weinte sie ihm in treuer Liebe Sehnen goldene Tränen nach. Odr wird von einigen als Freyr gedacht, welcher die Schwester bei ihrer beider Aufnahme unter die Asen nicht mehr habe als Gemahl behalten dürfen, von andern als Odin, der in den "zwölf Nächten" (von Weihnachten bis Dreikönige) als wilder Jäger in dem Sturmbrausen jener Zeit um die Frühlingsgöttin, die schöne Jahreszeit, wirbt, aber schon bald, zur Zeit der Sommersonnenwende, von dem Hauer eines Ebers getroffen, stirbt; d. h. nur in seiner Bedeutung als Gott des aufsteigenden Jahres; ähnlich seinem Sohne Baldur [Fußnote: Diese Sage entspricht dem griechischen Mythus von Adonis, der ebenfalls durch einen Eber der Liebesgöttin Aphrodite entrissen wird.] . Daher wird auch der Hackelberend (d. h. Mantelträger, d. h. Wotan), der im Mittelalter als wilder Jäger Wotan vertritt, durch einen Eber getötet und hat nun in alle Ewigkeit zu jagen, weil er sich, frevlen Sinnes, statt der himmlischen Seligkeit ewige Weidmannslust gewünscht hatte.
Bald aber ward nicht mehr Freya als Gemahlin Odins gedacht [Fußnote: Wie noch ("Frea") in der Sage von der Namengebung der Langobarden.] , sondern Frigga; Freya, die zur Naturgrundlage die schöne Frühlingszeit hat, ward nun zur Göttin der Liebe, sowohl der edeln als (zumal später) der sinnlichen, leidenschaftlichen Liebe; wenigstens werden ihr von Loki und der Riesin Hyndla derartige Vorwürfe gemacht.
Aber Freya ist nicht eine weichliche Liebesgöttin wie Aphrodite, sondern sie ist zugleich die erste, die Anführerin der Walküren, der Schildjungfrauen Odins (s. diese unten). Als solche reitet sie an der Spitze dieser in die Schlacht und ihr gehört die Hälfte der Wal, d. h. der (nach des Schicksals oder Odins oder eben der Wal-küren Beschluss) in dem Kampfe Gefallenen, nur die andre Hälfte Odin; daher heisst ihre Himmelsburg Folk-wang, der Anger des (gefallenen) Volks, ihr Saal Sess-rumnir, der Sitz-räumige; der Freitag (nordisch Frejudarg) ist nach ihr benannt.
Als Walküre (– sie ist die eigentliche, die ursprünglich einzige, die andern sind nur ihre Vervielfältigungen und Wiederholungen –) ist sie Jungfrau; als solche heisst sie Gefion und alle, die unvermählt sterben, nimmt sie auf. Indes hat später die Sage Gefion einen Gemahl gesellt. "Gefn" heisst Meeresstrom; daran wohl knüpfte die Dichtung. Zu Gylfi, König von Swithiod (Schweden), kam einst eine fahrende Frau, deren Gesang ihn so wonnig ergötzte, dass er ihr zum Lohne so viel seines Landes versprach, als vier Rinder während eines Tages und einer Nacht würden pflügen können. Aber diese Landfahrerin war eine verkleidete Tochter Asgards; sie nahm vier Rinder aus Riesenheim – Riesengeborne – und jochte sie vor ihren Pflug. So gewaltig und tief furchend zogen die Rinder, dass sie das Gepflügte losrissen vom übrigen Festland und es mit sich zogen ins Meer, bis sie stehen blieben in einem Sunde. Da festigte Gefion das losgerissene Land und nannte es "Seeland": – die dänische Insel. In Schweden
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