Walisischer Sommer
auszustrecken und ihn zu berühren.
Ist es wirklich möglich, daß meine Wünsche und Emotionen sich verselbständigt haben und dem entgegengesetzt sind, was der Verstand mir sagt? fuhr es ihr durch den Kopf.
Ja, das nennt man Wahnsinn, gab sie sich selbst die Antwort und nahm sich dann rasch wieder zusammen, denn ihr wurde bewußt, daß Daniel sie immer noch erwartungsvoll anschaute.
„Warum akzeptieren Sie eigentlich nicht, daß ich uneigennützige Beweggründe habe?”
„Weil die Gebühren, die Sie für die Kurse berechnen, alles andere als altruistisch sind”, antwortete sie gleichmütig.
„Mag schon sein, aber in Anbetracht der Kosten, die das Zentrum verursacht, sind sie fair und angemessen, denn ich verpflichte nur die besten Dozenten.”
„Und Sie machen auch noch einen ganz schönen Profit dabei”, warf sie ihm vor.
Er schien sich zu ärgern.
„Denken Sie wirklich so über mich?” fragte er jedoch ruhig und überschritt dabei die unsichtbaren Grenzen, die sie bisher gegenseitig respektiert hatten. Denn unvermittelt verließ er das neutrale Thema und begab sich in den ganz persönlichen Bereich der Empfindungen. Christa hatte auf einmal das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
„Es hat überhaupt nichts damit zu tun, was ich über Sie als Mensch denke”, begann sie.
„Doch, das hat es”, widersprach Daniel ihr sogleich. „Wenn irgend etwas Sie emotional berührt, verändert sich Ihre Stimme, aus der ich sehr deutlich Verachtung und Abneigung herausgehört habe, und auch Angst”, erklärte er.
Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen? Das würde ja bedeuten, daß er auch ahnt, wie ich für ihn empfinde, überlegte sie entsetzt.
Und plötzlich wurde ihr klar, daß er aufgrund seines Berufs und seiner Erfahrung mehr über die Menschen und deren Reaktionen wußte und in Erfahrung brachte, als ihr lieb war.
„Nun, Christa, was mißfällt Ihnen an mir so sehr, daß es Ihren Widerspruch herausfordert? Wie ich bin, oder was ich tue?” erkundigte er sich.
„Ich mag es einfach nicht, daß andere getäuscht, betrogen und verletzt werden.” Ihr war unbehaglich zumute, und sie hätte am liebsten das Thema gewechselt. Aber wie sollte sie das anstellen, ohne Daniel noch mehr über ihre Gefühle zu verraten?
„Und Sie glauben, das würde ich tun?”
Sie wollte diese Frage sogleich verneinen, überlegte es sich jedoch anders. „Ich kenne Sie nicht gut genug, um es beurteilen zu können”, antwortete sie statt dessen.
Überrascht bemerkte sie, wie ein Lächeln seine Lippen umspielte. „Sie sind eine streitbare Frau, das muß man Ihnen lassen”, meinte er.
Ungläubig schaute sie ihn an. „Gefällt es Ihnen etwa, wenn ich Ihnen widerspreche?”
„Nicht unbedingt, aber ich finde es ausgesprochen anregend, mit jemandem zu diskutieren, der eine eigene Meinung hat und sich nicht scheut, sie zu vertreten. Es verleiht der Unterhaltung eine gewisse Würze … die ich mit der Chemie vergleichen möchte, die zwischen zwei Menschen stimmt, wenn sie sich stark zueinander hingezogen fühlen”, erklärte er sanft.
Christa verschlug es die Sprache, und wie in Trance hielt sie den Blick gegen ihren Willen auf Daniel gerichtet.
„Das heißt natürlich nicht, daß ich Ihnen in allem zustimme”, fuhr er so ruhig und gleichgültig fort, als hätte er nie von gegenseitiger Anziehungskraft gesprochen. Seine Worte hinterließen bei Christa einen so nachhaltigen Eindruck, daß sie insgeheim erbebte. „Aber Frauen, die einfach alles akzeptieren, nur um es sich leichter zu machen …” Er zuckte die Schultern.
„Andererseits mögen Männer Frauen nicht, die unabhängig sind und sich ihr eigenes Urteil bilden”, wandte Christa ein.
„Wirklich nicht?” fragte er sanft. „Dieses Märchen ist inzwischen hinreichend widerlegt. Intelligenten, selbstbewußten Männern gefallen Frauen nicht, die ihnen ständig nach dem Mund reden – und sich sexuell passiv verhalten.”
Christa konnte die eigenartigen Empfindungen, die sich bei dieser Bemerkung in ihr ausbreiteten, nicht unterdrücken.
„Ähnlich wie bei einer angeregten Diskussion sollten Partner, die miteinander schlafen, gleich starke Gefühle füreinander haben. Das Verlangen muß gegenseitig sein, beide müssen sich aktiv beteiligen. Meinen Sie nicht auch?” fügte er hinzu.
„Sex nur um der Sache willen interessiert mich nicht”, entgegnete Christa und bemühte sich, geringschätzig und unbeteiligt zu klingen.
„Mich auch
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