Walking Disaster
meinte, aber ich würde es respektieren.
America klopfte und kam dann mit demselben hautfarbenen Fähnchen hereinspaziert, das sie auch auf der Date Party getragen hatte. Ihre Absätze waren turmhoch, und sie hatte noch zwei Extraschichten Make-up aufgetragen. Sie sah zehn Jahre älter aus.
Ich winkte America und schnappte mir die zweite Schlüsselkarte vom Tisch. Sie machte sich sofort daran, Abby aufzustylen. Dabei erinnerte sie mich an einen Boxtrainer, der seinem Schützling vor einem großen Kampf gut zuredet.
Shepley stand auf dem Flur und starrte auf drei Tabletts mit halb aufgegessenen Portionen, die Gäste aus einem anderen Zimmer einfach dort stehen gelassen hatten.
»Was willst du als Erstes machen?«, fragte ich.
»Ich werde dich definitiv nicht heiraten.«
»Du bist ja so was von witzig. Lass uns runterfahren.«
Kaum hatte sich die Aufzugtür wieder geöffnet, schien das Hotel zum Leben erwacht. Mir kam es vor, als seien die Flure die Adern und die Menschen das Blut darin. Grüppchen von Frauen, die wie Pornostars angezogen waren, Familien, Ausländer und die eine oder andere Junggesellenabschieds-Truppe, dazu Hotelangestellte, aber es wirkte trotzdem wie ein organisiertes Chaos.
Es dauerte eine Weile, an den Läden vorbeizukommen, die die Ausgänge säumten, und auf den Boulevard hinauszutreten. Doch endlich standen wir auf der Straße und gingen, bis wir auf eine Menschenansammlung vor einem der Casinos stießen. Die Brunnen sprudelten und dazu lief ein patriotisches Lied. Shepley war gefesselt und rührte sich nicht von der Stelle, während das Wasser tanzte und sprühte.
Anscheinend hatten wir nur die letzten zwei Minuten erwischt, denn bald verloschen die bunten Lichter, die Fontänen versiegten und sofort zerstreute sich die Menge.
»Was war das denn?«, fragte ich.
Shepley starrte immer noch auf den jetzt stillen Teich. »Keine Ahnung, aber ich fand’s cool.«
Die Straßen waren gesäumt von Elvis, Michael Jackson, Showgirls und Comicfiguren, die sich gegen Geld alle mit einem fotografieren lassen wollten. Irgendwann hörte ich ein blätterndes Geräusch, und nach einer Weile konnte ich ausmachen, wo es herkam. Männer standen auf dem Gehsteig und ließen Kartenstapel in ihrer Hand schnalzen. Eine der Karten gaben sie Shepley. Es war das Foto einer Frau mit lächerlich riesigen Titten in einer verführerischen Pose. Damit wurde für Nutten und Strip Clubs geworben. Der Gehsteig war schon davon bedeckt.
Ein Mädchen ging vorbei und musterte mich betrunken lächelnd. Sie trug ihre hochhackigen Schuhe in der Hand. Als sie an mir vorbeitaumelte, bemerkte ich ihre schwarzen Füße. Der Boden war dreckig – der passende Untergrund für Glitter und Glamour.
»Wir sind gerettet«, sagte Shepley und steuerte eine Bude an, wo man Red Bull in Kombination mit jedem erdenklichen Alkohol kaufen konnte. Shepley bestellte zwei mit Wodka und lächelte nach dem ersten Schluck. »Vielleicht will ich hier nie wieder weg.«
Ich schaute auf meinem Handy nach der Uhrzeit. »Wir sind schon eine Stunde unterwegs. Lass uns zurückgehen.«
»Weißt du noch, woher wir gekommen sind? Weil … ich weiß es nicht mehr.«
»Klar. Hier lang.« Wir gingen denselben Weg zurück. Ich war froh, als wir endlich wieder vor unserem Hotel standen. Der Strip war leicht, aber es gab so viele Ablenkungen auf dem Weg, und Shepley bewegte sich eindeutig im Ferienmodus.
Ich suchte die Pokertische nach Abby ab, weil ich wusste, dass sie dort sein würde. Endlich erspähte ich ihr karamellfarbenes Haar. Sie saß aufrecht und selbstbewusst an einem Tisch voller alter Männer. Neben ihr America. Die Mädchen bildeten einen deutlichen Kontrast zu dem übrigen Volk im Pokerbereich.
Shepley winkte mich zu einem Blackjacktisch, und wir spielten ein bisschen, um uns die Zeit zu vertreiben.
Eine halbe Stunde später stieß mich Shepley mit dem Ellbogen an. Abby war aufgestanden und unterhielt sich mit einem Typ mit olivfarbener Haut und dunklen Haaren in Anzug und Krawatte. Er fasste sie am Arm, und sofort stand auch ich auf.
Shepley bekam mein Hemd zu fassen. »Halt dich zurück, Travis. Der arbeitet hier. Wart mal eine Minute ab. Wenn du die Nerven verlierst, werfen sie uns vielleicht alle raus.«
Ich beobachtete sie. Er lächelte, doch Abby blieb ganz geschäftsmäßig. Dann bemerkte er auch America.
»Sie kennen ihn«, sagte ich und versuchte, von ihren Lippen abzulesen, über was gesprochen wurde. Das Einzige, was ich
Weitere Kostenlose Bücher