Walking Disaster
Wegen der Ferien war der Zulauf mager. Adam will keinen neuen ansetzen, bevor die Ferien nicht vorbei sind.«
»Dann organisier jemand von den Einheimischen.«
»Zu riskant.«
»Ruf Adam an, Shepley.«
Shepley trat neben mein Bett, hob das Handy auf, drückte ein paar Tasten und warf mir das Gerät wieder auf den Bauch. »Ruf ihn selbst an.«
Ich hielt das Telefon an mein Ohr.
»Hosenscheißer! Was war los mit dir? Warum gehst du nicht an dein Telefon? Ich will heute Abend ausgehen!«, meldete sich Trenton.
Ich starrte böse auf den Hinterkopf meines Cousins, doch Shepley verließ das Zimmer, ohne sich umzugucken.
»Mir ist nicht danach, Trent. Ruf doch Cami an.«
»Die ist Barfrau. Und wir haben Silvester. Wir können sie aber besuchen gehen! Außer du hast andere Pläne …«
»Nein. Ich habe keine anderen Pläne.«
»Du willst also nur rumliegen und aufs Sterben warten?«
»So ungefähr.« Ich seufzte.
»Travis, Brüderchen, ich hab dich lieb, aber du bist echt so ein Schlappschwanz. Sie war die Liebe deines Lebens. Das hab ich kapiert. Das ist scheiße. Weiß ich. Aber ob’s dir passt oder nicht, das Leben geht weiter.«
»Danke sehr, du Hobbypsychologe.«
»Du bist nicht mal alt genug, um überhaupt zu wissen, wer das ist.«
»Thomas hat uns die Wiederholungen anschauen lassen, weißt du nicht mehr?«
»Nein. Hör zu. Ich komme hier um neun weg. Und um zehn hole ich dich ab. Wenn du dann nicht angezogen und fertig, und damit meine ich: geduscht und rasiert bist, rufe ich eine Menge Leute an und erzähle ihnen, dass in deiner Wohnung eine Party mit sechs Fässern Freibier und lauter Nutten steigt.«
»Verdammt, Trenton, tu das bloß nicht.«
»Du weißt, dass ich es tue. Letzte Warnung. Zehn Uhr, sonst hast du ab elf Gäste. Und zwar von der hässlichen Sorte.«
Ich stöhnte. »Verdammt, ich hasse dich.«
»Nein, tust du nicht. Man sieht sich in neunzig Minuten.«
Ich hörte es knirschen, bevor die Leitung unterbrochen war. So, wie ich Trenton kannte, hatte er wahrscheinlich aus dem Büro seines Chefs angerufen. Gemütlich zurückgelehnt und mit den Füßen auf dem Tisch.
Ich setzte mich auf und sah mich in meinem Zimmer um. Die Wände, an die ich einst unzählige Fotos von Abby gepinnt hatte, waren kahl. Über meinem Bett hing wieder stolz der Sombrero, nachdem er zwischendurch einem Schwarz-Weiß-Foto von mir und Abby hatte weichen müssen.
Trenton würde mich wohl tatsächlich zwingen. Ich stellte mir vor, wie ich an der Bar sitzen würde, während alle Welt um mich herum feierte und sich einen Dreck darum scherte, wie elend mir zumute war. Und darum, dass ich – nach Ansicht von Shepley und Trenton – ein Weichei war.
Im vergangenen Jahr hatte ich mit Megan getanzt und am Ende Kassie Beck mit nach Hause genommen. Sie wäre eigentlich gut für meine Liste gewesen, wenn sie sich nicht in den Flurschrank übergeben hätte.
Ich fragte mich, wie Abbys Pläne für den heutigen Abend aussahen, versuchte aber, mir gar nicht erst zu erlauben, darüber zu sinnieren, wen sie wohl treffen mochte. Shepley hatte nichts von Americas Abendprogramm erwähnt. Vielleicht hatten sie es mir absichtlich verheimlicht, aber weiter nachzubohren, erschien sogar mir zu masochistisch.
Die Schublade des Nachttisches quietschte, als ich sie aufzog. Meine Finger tasteten darin herum, bis sie sich um eine kleine Schachtel schlossen. Behutsam nahm ich sie heraus und drückte sie an meine Brust. Ich seufzte tief, dann öffnete ich die Schachtel und zuckte beim Anblick des glitzernden Diamantrings. Es gab nur einen einzigen Finger, der in das Rund aus Weißgold gehörte, und mit jedem Tag, der verging, wurde der Traum weniger wahrscheinlich.
Als ich den Ring gekauft hatte, wusste ich, dass es Jahre dauern würde, bis ich ihn Abby schenkte, aber es machte Sinn, ihn schon zu besitzen. Einfach für den Fall, dass sich der perfekte Moment plötzlich ergab. Zu wissen, dass er da war, bedeutete, dass ich mich auf etwas freuen konnte. Selbst jetzt noch. In dieser Schatulle befand sich das letzte bisschen Hoffnung, das mir noch geblieben war.
Nachdem ich den Diamant wieder weggeräumt und mir selbst eine lange Motivationsrede gehalten hatte, schleppte ich mich endlich über den Flur ins Bad. Allerdings vermied ich den Blick in den Spiegel. Duschen und Rasieren hoben meine Laune nicht. Auch nicht (und das würde ich Shepley nachher vorhalten) das Zähneputzen. Ich zog ein schwarzes Hemd, eine blaue Jeans und meine
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