Walking Disaster
sie auf die Stirn. »Ich kann auch zu Hause bleiben.«
»Nein«, meinte ich kopfschüttelnd.
»Ich will nicht, dass du wieder was abbekommst wie beim letzten Mal, nur weil du dir Sorgen um mich machst.«
»Nein, Täubchen.«
»Ich werde aufbleiben und auf dich warten.« Dabei lächelte sie ein wenig gezwungen, was mich nur umso entschlossener machte.
»Ich werde Trent fragen, ob er mitkommt. Er ist der Einzige, dem ich so vertraue, dass ich mich aufs Kämpfen konzentrieren kann.«
»Vielen Dank, du Blödmann«, brummte Shepley.
»Hey, du hattest deine Chance«, bemerkte ich nur halb scherzhaft.
Shepley verzog den Mund. Von mir aus konnte er den ganzen Tag schmollen, aber er hatte im Hellerton Scheiße gebaut, als Abby so weit von ihm abgedrängt worden war. Hätte er aufgepasst, wäre das alles nicht passiert, und das war jedem von uns klar.
America und Abby beteuerten immer wieder, es sei ein dummer Zufall gewesen, aber ich hatte kein Problem damit, es ihm vorzuwerfen. Er hatte auf den Kampf geachtet, statt auf Abby, und wenn Ethan richtig zum Zug gekommen wäre, wie er es vorhatte, säße ich inzwischen wegen Totschlags im Gefängnis. Shepley entschuldigte sich wochenlang bei Abby, bis ich ihn irgendwann beiseitenahm und ihm sagte, er solle damit aufhören. Keiner von uns wollte immer wieder an den Vorfall erinnert werden, nur weil ihn das schlechte Gewissen derart plagte.
»Shepley, das war nicht dein Fehler. Und du hast ihn dann doch von mir weggezerrt, weißt du nicht mehr?« America streckte ihre Hand an Abby vorbei aus, um ihm den Arm zu tätscheln. Dann drehte Abby sich wieder zu mir. »Wann ist der Kampf denn?«
»Irgendwann nächste Woche. Ich will dich dabeihaben. Ich brauche dich dort.« Wäre ich kein solches Riesenarschloch gewesen, hätte ich darauf bestanden, dass sie zu Hause bleibt, aber ich hatte ja schon oft genug bewiesen, dass ich eines war. Mein Verlangen, in Abby Abernathys Nähe zu sein, blockierte jeden vernünftigen Gedanken. So war es schon immer gewesen, und wahrscheinlich würde es auch für immer so bleiben.
Abby legte lächelnd ihr Kinn auf meine Schulter. »Dann werde ich auch mitkommen.«
Ich begleitete Abby zu ihrer letzten Lehrveranstaltung, küsste sie zum Abschied und machte mich auf, um Shepley und America am Morgan zu treffen. Der Campus leerte sich rasch, und ich zog mich zum Rauchen lieber in eine Ecke zurück, damit ich nicht alle drei Minuten jemand Platz machen musste, der mit seinem Gepäck oder seiner Wäsche vorbeikam. Dann holte ich mein Telefon heraus und wählte Trentons Nummer. Mit wachsender Ungeduld hörte ich es läuten. Endlich sprang seine Mailbox an. »Trent, ich bin’s. Du musst mir einen Riesengefallen tun. Es ist eilig, also ruf mich sofort zurück. Bis bald.«
Ich hatte kaum zu Ende gesprochen, da sah ich Shepley und America durch die Glastüren des Wohnheims kommen, jeder mit zwei Taschen beladen.
»Sieht aus, als wärt ihr reisefertig.«
Shepley grinste, America nicht.
»Hey, seine Eltern sind gar nicht so schlimm!« Ich stupste sie mit dem Ellbogen an. Aber ihre finstere Miene hellte sich nicht auf.
»Wenn wir erst mal dort sind, wird sie sich besser fühlen«, sagte Shepley, aber offenbar eher, um seiner Freundin Mut zuzusprechen, als an mich gerichtet.
Ich half ihnen, alles im Kofferraum des Charger zu verstauen, dann warteten wir gemeinsam auf Abby, die uns nach ihrer letzten Stunde des Semesters auf dem Parkplatz treffen sollte.
Ich zog mir meine Beanie über die Ohren und steckte mir noch eine Zigarette an. Trenton hatte bis jetzt nicht zurückgerufen, und ich war nervös, weil er vielleicht nicht würde kommen können. Die Zwillinge waren mit ein paar ehemaligen Sig Taus schon auf halbem Weg nach Colorado, und ansonsten traute ich niemand zu, wirklich gut auf Abby aufzupassen.
Ich nahm ein paar Züge und ging die verschiedenen Möglichkeiten in meinem Kopf durch. Wenn Trenton sich nicht meldete … und auch, wie verdammt selbstsüchtig es von mir war, ihre Anwesenheit an einem Ort zu verlangen, von dem ich wusste, dass sie dort in Gefahr sein konnte. Ich musste voll konzentriert sein, um diesen Kampf zu gewinnen, und die beiden Voraussetzungen dafür waren: Abbys Anwesenheit und Abbys Sicherheit. Falls Trenton arbeiten musste oder mich nicht zurückrief, würde ich den Kampf absagen müssen. Das war meine einzige Option.
Ich nahm einen letzten Zug von der letzten Zigarette aus dem Päckchen. Anscheinend war ich so in
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