Walküre
nicht ...«
»Habe ich erwähnt, dass diese nordische Eisjungfrau über die Maßen schön ist? Und wenn du nicht mitkommst, werden wir ganz unter uns sein.«
»Na gut, ich komme mit, um deine Ehre zu schützen. Hol mich in der Wohnung ab.«
Fabel merkte, dass er zu einem Objekt des Neides geworden war. Alle Männer im Restaurant drehten sich zu ihnen um, als Susanne, Karin Vestergaard und er eintrafen. Er musste zugeben, dass es ihm Spaß machte, in der Gesellschaft zwei so schöner Frauen gesehen zu werden. Fabel war verblüfft darüber, wie sehr sie sich voneinander unterschieden: Susannes Haare waren rabenschwarz, ihre Augen haselnussbraun, und ihre Haut hatte sogar in der Mitte des Hamburger Winters einen Hauch von Sommergold. In völligem Gegensatz dazu waren Karin Vestergaards Haare fast aschblond, ihre Augen von einem auffälligen Hellblau und ihr Teint eher blass. Die südliche Keltin und die Wikingermaid.
Wieder hatte Karin Vestergaard ihr Make-up verändert, sodass sie milder wirkte. Die beiden Frauen plauderten lebhaft miteinander, während sie sich an den Tisch am Fenster setzten. Die Beleuchtung des Restaurants war bewusst gedämpft, damit die Gäste das stille Ballett der riesigen Containerschiffe und der anderen Wasserfahrzeuge beobachten konnten, die an den enormen Panoramafenstern mit Blick auf die Elbe vorbeitrieben. Es war ungewohnt für Fabel, Susanne Englisch sprechen zu hören. Während ihrer gesamten Beziehung hatte sie nur selten ein englisches Wort geäußert. Aber obwohl Susanne die Sprache gut beherrschte, war ihr bayerischer Akzent nun noch ausgeprägter.
Susanne und Karin Vestergaard hatten sich sofort gut verstanden, und Fabel war ein wenig verwirrt darüber, dass Vestergaards Persönlichkeit sich ganz und gar geändert zu haben schien. Wieder einmal fühlte er sich hilflos gegenüber der weiblichen Komplexität. Wie schon oft erlebte er, dass Frauen völlig anders miteinander umgingen als mit ihm. Das hatte er nie verstehen können, und nun war es so, als hätte er Zugang zu einem exklusiven Club erhalten, allerdings nur für eine befristete Zeit.
»Sie haben sich also den größten Teil des Tages mit Jan herumgeschlagen«, sagte Susanne. »Bestimmt brauchen Sie nun etwas zu trinken.« Sie winkte einen Kellner heran, und die beiden bestellten eine Flasche Weißwein.
»Er ist gar nicht so übel«, antwortete Karin Vestergaard. Sie lächelte Fabel zu, und ihm wurde bewusst, dass sie vorher nie eine Miene verzogen hatte. »Man muss sich nur an ihn gewöhnen.«
»Und ob ...« Susanne zog eine Augenbraue hoch und grinste wissend. »Wie gefällt Ihnen Hamburg?«
»Sehr gut. Seltsamerweise kommt es mir kaum ausländisch vor. Als wäre es ein Stück von Dänemark.«
»Sie haben heute selbst gesagt«, warf Fabel ein, »als Sie über Euro-Regionen sprachen, dass Hamburg etwas Nordisches an sich hat. Und im Moment sind wir in Altona. Es war eine selbstständige Stadt, bis es in den Dreißigerjahren des 20.Jahrhunderts durch das Groß-Hamburg-Gesetz zu einem Teil von Hamburg wurde. All das hier war mehr als zweihundert Jahre lang dänischer Boden. Und Hamburg selbst lag während des größten Teils seiner Geschichte unmittelbar an der dänischen Grenze.«
»Herrje, ermutigen Sie ihn bloß nicht«, warnte Susanne. »Sonst wird alles zu einer Geschichtsvorlesung. Aber ich weiß, was Sie meinen, Karin. Ich stamme aus dem Süden. Aus Bayern. Nach meinem Umzug nach Hamburg kam mir alles sehr skandinavisch vor. Obwohl die Hamburger dauernd darauf pochen, wie sehr sie den Engländern ähneln. Übrigens, kennen Sie Jans Spitznamen?«
»Ach, nicht die olle Kamelle«, stöhnte Fabel. »Manche nennen mich den englischen Kommissar, weil ich halber Brite bin. Eigentlich halber Schotte.«
Susanne lachte. »Nein, davon rede ich nicht. Ich wette, du hast diesen Spitznamen noch nie gehört. Lord Gentleman.«
»Wer nennt mich so?« Fabel schaute Susanne vorwurfsvoll an.
»Sehen Sie«, sagte Susanne an die Dänin gewandt. »Nun ist er beleidigt. Wissen Sie, dass er all seine Sachen in den englischen Läden von Hamburg kauft? Bevor ich ihn kennenlernte, habe ich Harris Tweed für einen Autor von Liebesromanen gehalten.«
Karin Vestergaard lachte. »Es ist wirklich seltsam.« Sie drehte Fabel den Kopf zu. »Auf dem Flughafen dachte ich, dass Sie wie ein Däne aussehen. Aber das trifft hier ja auf viele Leute zu.«
»Da irren Sie sich aber.« Fabel zeigte mit der Gabel auf sie. »Ich habe die
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