Wall Street Blues
Büro.
Sie seufzte und sah Smith an. »Das wird wieder so ein Tag werden.«
Smith drehte sich um. »Was denn nun?«
»Kannst du dir vorstellen, daß Switzer zum Vorstellungsgespräch bei Hallgarden mit einer Sportjacke und roten Socken aufgekreuzt ist?«
»Ja.« Smith’ Haltung war so überheblich.
»Ach, Smith.«
»Wetzon, du bist wirklich ein Schatz.« Smith lächelte. »Ich möchte gern lang und breit mit dir über Switzer reden, aber ich bin zum Mittagessen verabredet und danach...«
»Etwas Besonderes?« Smith hatte Carlos oder Silvestri nicht mehr erwähnt, was das betraf, und Wetzon wollte von sich aus die Sprache weder auf den einen noch den anderen bringen.
»Nein.« Smith hatte die Nase in ihren Terminkalender gesteckt. »Pflichtessen. Danach einen Termin in Marks Schule.« Sie ging zur Toilette und musterte sich in dem Ganzfigurspiegel an der Innenseite der Tür. Sie erneuerte das Rouge auf ihren Wangen und bürstete ihre kurzen dunklen Locken auf.
Wetzon beobachtete sie neugierig. Irgend etwas war im Busch. Sie spürte es. Es war das gleiche Gefühl, das sie gestern auf dem Revier gehabt hatte, als Smith sie mit Silvestri allein gelassen hatte.
Nachdem Smith gegangen war, schickte Wetzon Harold Mittagessen holen und bat ihn, für sie ein Sandwich mit Ei und Salat mitzubringen.
Sie war erschöpft, aber in ihrem Kopf überschlugen sich die Fragen. Wer hatte Barry Stark ermordet? Und warum? Was bewahrte Barry für Georgie auf? Hatte Georgie seinen Freund umgebracht? Was hatte Mildred Gleason mit Barrys Tod zu tun, und warum wollte sie Wetzon sehen? Georgie hatte erzählt, Barry habe mit ihr Geschäfte gemacht — konnte sie ihn getötet haben? Wozu paßte der Schlüssel? Und Leon Ostrow? Er war am betreffenden Abend im Four Seasons gewesen. War Jake Donahue auch dort gewesen? Warum hätte Silvestri sonst fragen sollen, ob sie Donahue dort gesehen hatte? Und Leon war Jake Donahues Anwalt, und Jake Donahue war Barrys Chef. Sie wollten den Schlüssel... Immer wieder der Schlüssel. Kreise innerhalb von Kreisen innerhalb von Kreisen.
Und warum benahm Smith sich so eigenartig?
Wetzon hatte in Barry einfach einen Makler unter vielen gesehen, vielleicht ein bißchen verrückter, ein bißchen gieriger als die meisten, aber jetzt, im Tod, schien er eine neue Dimension anzunehmen. Da gab es Buffie, die Frau, die er heiraten wollte, und die andere — die aus Connecticut, die Georgie erwähnt hatte die mit ihm bei Donahue arbeitete. Wußte Silvestri von ihnen? Hatte Georgie Silvestri etwas erzählt? Sie bezweifelte es. War Georgie der Mann, der versucht hatte, in ihre Wohnung einzubrechen? Hing es überhaupt mit Barrys Tod zusammen? Und sie hatte es fast vergessen... wer hatte Barrys Diplomatenkoffer gestohlen? Was hatte Barry mit den ganzen Medikamenten vom York Hospital zu schaffen? Sie konnte sich ganz gut denken, was das zu bedeuten hatte. Sie erinnerte sich, daß mehrere Makler ihr gegenüber geäußert hatten, daß Barry ein Verbindungsmann für Drogen in der Wall Street gewesen war. Hatte der Mord an Barry mit Drogen zu tun?
Es war zu verwirrend.
Das Telefon läutete. »Smith und Wetzon«, sagte sie, dankbar für die Unterbrechung.
»Es war großartig.« Steve Switzer kam direkt von seinem Termin bei Pru-Bache. »Sie haben mir ihren Börsensaal gezeigt. Ich glaube, ich könnte dort arbeiten.« Er war in Hochstimmung. »Melden Sie mich für morgen bei Hallgarden ab.«
»Das können Sie nicht machen, Steve«, sagte Wetzon entschieden. »Erstens, was ist, wenn Bache nicht auf Ihre Forderung eingeht? Sie können nicht alles auf eine Karte setzen.« Sie meinte es ernst, und sie sprach ruhig, weil es bekanntes Terrain war. »Aber wichtiger ist, Steve, daß die Entscheidung Ihre Karriere betrifft. Bache ist eine riesige Gesellschaft. Sie gehört Prudential. Sie wären dann einfach ein Fisch mehr in einem großen Teich. Sie möchten bei einer Firma arbeiten, die noch von einer anderen gekauft werden kann. Sie möchten Aktien und Aktienbezugsrechte in der Firma anhäufen, bevor dies geschieht. Als Primerica damals Smith Barney kaufte, sah ich einige Makler und Angestellte, die lange in der Firma waren, über Nacht zu Millionären werden.« Sie wußte aus Erfahrung, daß es Steve Switzer schwerfallen würde, sich vom Topmakler in seiner kleinen Firma darauf umzustellen, einer von vielen bei Pru-Bache zu sein. Das und der Kulturschock würden ihn zermürben. Er würde in der neuen Umgebung wieder als
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