Wall Street Blues
Anrufbeantworter. Sie hatte etwas dagegen.
Wetzon legte auf und rief im Büro an. Harold meldete sich nach dem zweiten Läuten. »Smith und Wetzon. Guten Morgen.« Und auf Wetzons Frage: »Sie sagte, sie käme nach zehn. Sie muß bei Bloomingdale’s vorbei und etwas Umtauschen, das sie Mark gekauft hat, und das ihm nicht paßt.«
»Okay, sie soll mich anrufen. Es ist wichtig. Ich bin bis eins zu Hause. Und laß mich wissen, wenn jemand anruft. Vor allem Switzer.«
Es wäre schön, wenn Switzer den Vertrag fix und fertig in der Tasche hätte.
Sie holte ihr graues Kostüm aus dem Schrank, musterte es kritisch. Drei Jahre alt, sehr streng, aber in Ordnung für einen regnerischen Tag. Sie würde die blaßblaue Bluse mit dem weißen Kragen und den weißen Manschetten anziehen. Sie war sehr feminin, aber dennoch geschäftsmäßig. Sie machte das Bett ordentlich mit straffen Krankenhauskanten und breitete ihre Kleider aus.
Smith rief an, während Wetzon mit Apfelsaf t ihre Vitamine einwarf.
»Hast du gesehen, was mit diesem Schwein passiert ist, Georgie Travers?« fragte Smith ohne Einleitung.
»Smith, ich hab’ ihn gefunden.«
»Was?«
»Ich war mit Buffie...«
»Mit wem?«
»Oh, Mann, das ist eine zu lange Geschichte...«
»Schieß schon los!«
Wetzon berichtete die nackten Tatsachen. Sie beschloß, die Seidenkrawatte auszulassen, weil sie das nicht am Telefon erledigen wollte. Sie wollte Smith’ Gesicht sehen, wenn sie es erzählte. Sie erwähnte allerdings beiläufig, daß sie Leon vor Buffies Wohnung gesehen hatte.
»Du kannst Leon nicht gesehen haben«, sagte Smith ein wenig zu schnell.
»Woher willst du das wissen? Vielleicht hat er mit einem Klienten in der Nachbarschaft gesprochen.« Smith war immer so überzeugt, daß sie in allem recht hatte. »Oder vielleicht hat er ein Verhältnis mit einer, die dort wohnt«, sagte sie boshaft.
Smith war außer sich. »Wetzon, wie kannst du so was sagen? Du kennst Leon nicht so gut wie ich.«
Was für eine interessante Bemerkung, dachte Wetzon. »Jedenfalls weiß ich, daß ich ihn gesehen habe.«
»Ich kriege es heraus.«
»Smith, tu mir einen Gefallen. Vergiß es.«
»Nein, überlaß das mir. Ich kriege heraus, ob er dort war.« Ihre Stimme klang heiser. »Hast du es der Polizei gesagt?«
»Nein, aber...«
»Tu’s nicht.« Sie legte auf.
Wetzon hatte der Polizei nichts gesagt, weil sie es vergessen hatte, und niemandem war es eingefallen, sie zu fragen, ob sie eine verdächtige Person gesehen habe. Aber Leon war ja auch nicht verdächtig... oder doch?
Um elf rief Harold an, um ihr mitzuteilen, daß Switzer sich gerade gemeldet habe. »Wie hat er sich angehört? Aufgeregt?«
»Wütend.«
»Hm-hm.« Mit einem beklommenen Gefühl rief sie Switzer an.
»Es gab kein Angebot.« Switzer war sehr aufgebracht. Er war in seinem Büro, und es war schwierig, jedes Wort mitzubekommen. Leute riefen durcheinander, und Telefone schrillten im Hintergrund.
»Ich kann es nicht glauben. Ich dachte, es wäre alles nur noch eine Formsache.«
»Ich auch. Dieser Garfeld ist ein ausgemachter Fiesling. Er hat einfach nur da rumgestanden, das blöde Arschloch.«
»Ich verstehe das nicht. Worüber haben Sie gesprochen, wenn es kein Angebot gab.«
»Über mich. Was ich früher gemacht habe. Ich habe ihm erzählt, daß ich eine Million im Speditionsgeschäft gemacht habe.«
Switzer hatte das College sausen lassen, ein einträgliches Speditionsgeschäft aufgebaut und es an einen Mischkonzern verkauft. Er hatte einen Riesengewinn kassiert. Mit Mitte Dreißig hatte er sich nach einem neuen Beruf umgetan und war in die Niederungen des Verkaufs von Pennystocks gefallen.
Wetzon hatte gehört, daß Gordon Kingston, Chef bei Hallgarden, ein Snob hinsichtlich der Herkunft war, und Switzer hatte mindestens zwei Punkte gegen sich: Er war kein Collegeabsolvent, und er hatte nicht von der Pike auf gelernt.
»Steve...«
»Bleiben Sie dran, Wetzon, ich möchte das klarstellen. Ich habe einen aufregenden Tag. Ich sollte hier sitzen und Geld verdienen, anstatt meine Zeit in Besprechungen mit diesen Arschlöchern zu vergeuden.«
»Steve, lassen Sie mich mit Andy reden, damit ich die Hintergründe erfahre. Vielleicht kann er Ihnen das Angebot machen, nachdem sie miteinander gesprochen haben.«
»Das Ganze kotzt mich wirklich an, Wetzon. Meine Zeit ist Geld. Wenn ich nicht im Büro bin, verdiene ich nichts. Keine Vorstellungsgespräche mehr. Ich weiß, es ist nicht Ihre Schuld, aber
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