Wall Street Blues
ansteckend. Wetzon sah, daß Bobbie trotz ihrer Migräne wie ein Stein mit ihren dunklen Gläsern dasaß und die Arme einschüchternd verschränkt hatte.
»Ich hörte es«, sagte Mildred Gleason verwirrt. »Ich hörte, wie er ermordet wurde, und ich konnte nichts tun. Ich wußte, Sie würden es verfolgen. Ich habe Sie erwartet. Mein Gott, es war furchtbar. Ich hörte, wie er ermordet wurde.«
In der Ecke gab Bobbie ein rauhes Geräusch von sich, das sich wie eine Mischung aus Husten und Lachen anhörte.
»Sie... Barry? Barry telefonierte mit Ihnen, als er ermordet wurde? Warum?« Wetzon war verblüfft. Was bedeutete das? Eines bedeutete es mit Sicherheit: Falls Mildred wirklich über das Telefon gehört hatte, wie Barry getötet wurde, hatte sie ihn nicht ermordet.
Mildred verstreute mit einer hastigen, nervösen Handbewegung noch mehr Asche. »Er hat für mich gearbeitet. Wir haben an einer Sache gearbeitet, ein Geschäft, nebenbei...«
»Ich hab’ gesagt, du sollst ihm nicht trauen. Er war ein verlogenes Miststück.« Bobbie gab sich keine Mühe, ihre Verachtung zu verbergen. »Er hat ein falsches Spiel mit uns getrieben.«
Mildred zündete am Zigarettenstummel eine neue Zigarette an und drückte die erste krampfhaft aus. Sie sah Bobbie ärgerlich an. »Es war ein Geheimnis.« Sie kam ein Stück auf Wetzon zu. »Sie müssen mir helfen, Leslie. Ich darf doch Leslie sagen?« Sie setzte sich auf die Sofalehne, ohne eine Antwort abzuwarten. »Ich weiß, daß Sie mir helfen können, und ich bin verzweifelt. Es wird sich für Sie lohnen. Ich bin eine reiche Frau... und ich bin sehr großzügig zu meinen Freunden.«
»Du meine Güte«, sagte Bobbie. »Ja, bestimmt, das ist sie.« Wetzon war von beiden Frauen abgestoßen. »Ich würde Ihnen gern helfen, Mildred, aber ich wüßte nicht, was ich...«
»Sie können mir weitergeben, was er Ihnen gesagt hat. Ich weiß, Sie standen sich nah. Er hat immer große Stücke auf Sie gehalten.«
»Aber er hat mir nichts gesagt, nur daß er in großen, in sehr ernsten Schwierigkeiten steckte. Außerdem standen wir uns nicht nah«, korrigierte Wetzon ärgerlich.
»Sie verschweigen etwas. Das kann nicht alles sein. Versuchen Sie, sich zu erinnern«, rief Mildred, indem sie sich zu Wetzon beugte und mit ihrer Zigarette herumfuchtelte. Der Rauch brannte in Wetzons Hals. »Oder Sie treiben vielleicht Ihr Spiel mit mir.« Es klang wie eine Drohung. Wetzons Nackenhärchen sträubten sich. »Ich mag keine Spielchen.«
Bobbie stand halb auf, stöhnte und sank wieder auf den Sessel. Gleason sprang zu ihr und packte ihre Hand. »Mildred hoffte, Barry würde es weit bringen«, sagte Bobbie weich. »Sie ist so ein lieber Mensch. Er hatte Probleme mit Jake, nicht, Mildred? Wir wissen alle, daß Jake ein Lügner und Dieb ist. Barry besuchte Mildred als Freund. Jake hatte seine Abmachung mit Barry nicht eingehalten. Was einen nicht überrascht. Ich glaube, das war alles, stimmt’s, Mildred?« Mildred, die Bobbies Hand immer noch umklammerte, wurde sichtlich ruhiger. Bobbie fuhr fort: »Wir glauben, Barry bekam irgend etwas über Jake heraus, und Jake brachte ihn deshalb um. Er ist ein gewalttätiger Mann, der vor nichts zurückschreckt, um zu bekommen, was er will.« Sie sprach fiebrig erregt. Ihre Gesichtszüge verwischten sich in der dämmrigen Beleuchtung.
»Ja«, sagte Mildred, indem sie sich losmachte und unruhig das Zimmer abschritt. »Jake könnte es getan haben. Er ist zu allem fähig. Vertrauen Sie mir. Deshalb muß ich wissen, wo Barry...« Sie hielt abrupt inne und setzte sich neben Wetzon aufs Sofa.
Roberta gab ein winselndes Geräusch von sich.
»Mildred, ich weiß es wirklich nicht. Er fing an, von Rückkaufabsprachen zu reden...« Wetzon rutschte unruhig hin und her und versuchte, von ihr abzurücken. Aus dieser Nähe erschien Mildred Gleason unglaublich mißgünstig, wie die lebendig gewordene Vorstellung eines Kindes von einer Hexe. Und Robertas anhaltendes Gestöhne war unheimlich. Wenn sie solche Qualen litt, warum blieb sie dann bei ihnen sitzen?
»Reden Sie weiter... das ist es nicht, aber reden Sie weiter«, drängte Mildred, während sie Wetzon mit ihrem starken Raucheratem einhüllte. Wetzon wich zurück.
»Das ist alles. Er fragte mich, ob ich wüßte, was das ist, und ich sagte nein, und er begann es zu erklären.«
Mildreds Gesicht zuckte krampfartig. »Nein, es muß mehr sein. Er muß noch was anderes gesagt haben. Erwähnte er, was er für mich
Weitere Kostenlose Bücher