Wall Street Blues
sich.«
Wetzon lachte. »Okay, aber ich werde mich nie trauen, es zu tragen.« Sie ging zum nächsten Tisch weiter, zu Unterröcken und Miedern, indem sie dem Ellbogen einer eleganten Schwarzen auswich, die »Entschuldigung« murmelte.
»Wetzon«, sagte Laura Lee neben ihr, die Arme voll glänzender Seide. »Meine Freundin — wissen Sie, von der ich sprach, der Sie helfen sollen? Wir treffen uns hier mit ihr.«
Wetzon stöhnte auf und sah Laura Lee kopfschüttelnd an. »Erzählen Sie mir lieber etwas von ihr.«
»Sie heißt Amanda Guilford, und sie ist wirklich gut.«
»Ich kenne den Namen. Möglicherweise habe ich schon mit ihr gesprochen. Wo ist sie jetzt?«
»Sie war bis letzten Sommer bei Shearson.« Laura Lee hielt ein weißes Hemd mit blaßblauer Stickerei über der Brust hoch. »Ist das nicht edel?«
»Daher kenne ich ihren Namen.«
»Ist nicht meine Größe«, sagte Laura Lee enttäuscht.
»Ich nehme es.« Wetzon griff nach dem Hemd, während Laura Lee ihr spöttisch mit dem Finger drohte. »Wo ist sie jetzt?«
»Bei Donahue.«
»So ein Mist, Laura Lee...«
»Wetzon, was spielt das für eine Rolle, ehrlich? Amanda braucht Hilfe, und ich weiß, daß Sie ihr helfen können.«
Sie griffen unter die Wäschestapel, angelten, hielten hoch, was sie gefunden hatten, zeigten es sich gegenseitig. Das Anfühlen der Seide, die schwüle Luft und das Summen der Frauenstimmen um sie herum wurden Wetzon plötzlich mit seltsamer Intensität bewußt. Sie erinnerte sich an den Augenblick in Moby Dick, als Ishmael mit einem anderen Seemann die Ambra verarbeitet. Es war hypnotisch und sinnlich — wie jetzt.
»Wetzon? Hallo, sind Sie da?« Laura Lee winkte ihr mit einem violetten Seidenslip. »Das ist meine Freundin Amanda Guilford.«
Eine schöne junge Frau mit langem, von der Sonne streifig aufgehelltem, blondem Haar und einem Teint wie Pfirsich und Sahne, eine goldene Erscheinung, auf die Wetzon neidisch war, stand neben Laura Lee. Sie war einen ganzen Kopf größer als Laura Lee.
»Hallo. Ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß Sie mit mir sprechen wollen.« Amanda lächelte mit rosa Lippen über vollkommenen Zähnen. Nach ihrem nicht sehr ausgeprägten Akzent kam sie aus Neuengland.
»Es wird hier Gedränge geben, sobald die Börse schließt, Mädchen«, sagte Laura Lee munter. »Ich bezahle deshalb alles, Wetzon, und wir können später abrechnen.« Sie schnappte sich die Sachen in Wetzons Armen, eilte zur Kasse und ließ Wetzon mit Amanda Guilford allein.
Amanda kramte ziellos durch die Seidenslips auf dem Tisch. Sie hatte den athletischen Körperbau einer Schwimmerin oder Tennisspielerin, beneidenswert breite Schultern, eine schmale Taille unter dem Gürtel des Burberrys, kobaltblaue Augen, ein eckiges Kinn und eine kehlige Stimme. Ein makelloses gutes Aussehen. Sehr wenig Make-up.
»Ich schlage vor, wir setzen uns zu einer Tasse Kaffee zusammen, wenn es Ihnen recht ist«, sagte Wetzon. Laura Lee warf ihr einen kleinen Beutel zu, den sie in ihre Aktentasche packte.
»Ich muß ins Büro zurück, Mädchen, unterhaltet euch schön«, sprudelte Laura Lee leutselig hervor. »Ich melde mich dann später bei euch.« Übers ganze Gesicht strahlend ging sie und hinterließ eine verblassende Erinnerung an dunkel umränderte Augen und grellrot glänzende Lippen.
»Warum sind Sie bei Shearson gegangen, Amanda?« fragte Wetzon, nachdem sie in einer Nische in einem nahegelegenen Café einen Platz gefunden hatten.
Amanda zuckte mit den Schultern. »Aus Langeweile, nehme ich an. Ich verkaufe gern Aktien. Mein Chef bei Shearson wollte, daß ich Investmentfonds, Produkte verkaufe... Shearson-Produkte eben.« Sie preßte geschickt den Lipton-Teebeutel um den Löffel aus und ließ ihn auf die Untertasse fallen.
»Aber warum Donahue? Es gibt viele Firmen, die Sie nicht drängen, Produkte zu verkaufen. Oppenheimer zum Beispiel.« Wetzon nahm einen Schluck von dem koffeinfreien Gebräu, das wie Wasser mit Karamelgeschmack schmeckte.
Amanda nickte. »Ich weiß. Ich habe einen riesigen Fehler gemacht. Ich habe Jake Donahue auf einer Party kennengelernt.« Sie sah Wetzon an. »Er ist ein aufregender Mann. Bei ihm hörte es sich so an, als müßte es ungeheuren Spaß machen. Er versprach, er würde mir eine Menge von seinen Aktien geben, und ich würde ein Masse Geld verdienen. Er war sehr überzeugend.«
»Falls er sein Versprechen hielt, verdienten Sie vermutlich eine Masse Geld.«
»Anfangs schon.« Sie knüpfte ihren
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