Wall Street Blues
zugeschnitten waren.
»Sie haben mein Leben verändert, Wetzon«, sagte Laura Lee. »Ich weiß nicht, wo ich ohne Sie jetzt wäre. Sie sagten mir, ich sei prima. Sie gaben mir Selbstvertrauen. Sie glaubten an mich. Ich liebe meine Arbeit, und ich mache sie wirklich gut. Ich gehe in meinem Beruf auf. Ich helfe Menschen. Wie Sie auch. Das bringt mich auf...« Sie drückte auf den Knopf am Telefon. »Wir sind soweit, Joanne. Ich bin in einer Stunde zurück.« Sie stand auf und zog Wetzon hoch. »Gehen wir. Ich möchte mit Ihnen über eine Freundin von mir reden. Wir treffen sie um halb vier im Century Twenly-one.«
W as hielten Sie von Barry?« fragte Wetzon neugierig, als sie durch das Gedränge auf dem Bürgersteig am Broadway an sich stauenden Autos vorbei zur Cortlandt Street gingen. Die Cortlandt mündete in den historischen Trinity Place, hinter der Old Trinity Church. Cortlandt zu Trinity, vom Holländischen zum Englischen.
»Barry? Ein gutaussehender Teufel«, sagte Laura Lee, während sie den Gürtel ihres glänzenden roten Regenmantels knotete. »Grübchen, Spalte im Kinn. Toller Körper. Alles in allem sexy.«
»Aha?«
»Das Aha können Sie sich sparen, Wetzon. Ich ..habe die gleichen Hormone wie jede Frau. Er hat es bei mir versucht, aber er war nicht mein Typ.«
»Was ist Ihr Typ, wenn ich fragen darf?«
»Barry Stark war ein Junge, Wetzon. Und ziemlich doof. Ich mag Männer. Erfolgreiche Männer. Gescheite Männer. Was mögen Sie?«
Ja, was mochte sie? »Sie haben recht bei Barry«, sagte sie. »Er war ein Junge...«
»Kommen Sie schon, Wetzon, versuchen Sie nicht, mir auszuweichen. Was mögen Sie?«
»Köpfchen, denke ich. Humor.« Silvestri.
»Tja, der selige Barry Stark paßte in keine unserer Kategorien, aber er hatte keine Probleme bei anderen Frauen. Sie flogen auf ihn.«
Wetzon nickte. »Das überrascht mich nicht.«
»Offen gesagt, Wetzon, im Grunde war er ein Großmaul ohne Klasse, und er machte große Geschäfte mit Drogen — er und Georgie — , bis Georgie ins Diskogeschäft eingestiegen ist.«
»Ich habe dieses Gerücht über Barry gehört.«
»Es ist hundertprozentig wahr. Das können Sie mir glauben. Ich war dort. Alle wußten Bescheid. Irgendwann mußte er erwischt werden. Es war nur eine Frage der Zeit... bei den ganzen Skandalen mit den Insidergeschäften und allem... da war jeder auf der Suche nach Schmutz.«
»Vielleicht wurde er deshalb umgebracht.«
»Vielleicht. Wer weiß?« Laura Lee sah einen Schisch-Kebab-Verkäufer grimmig an, der beißende Rauchschwaden erzeugte, während er seine Fleischspieße über glühenden Kohlen grillte. »Er hatte nicht nur schlechte Seiten. Er war wirklich nett zu mir, auch nachdem er wußte, daß ich nicht anbiß — weder bei ihm noch den Drogen. Häufig half er manchen von uns in der Klasse bei unseren Versuchen in Kundenwerbung. Er war darin wirklich gut. Georgie auch, aber Georgie hätte nicht mal seiner Großmutter geholfen, wenn sie im Rollstuhl einen Berg hinabgerast wäre.« Sie verzog das Gesicht. »Georgie war ein Schwein.« Sie nahm Wetzons Arm. »Wissen Sie, einmal, nachdem er zu Donahue gegangen war, verwies Barry sogar einen dicken Brocken an mich. Jemand, der für eine halbe Million festverzinsliche Wertpapiere kaufen wollte. Es hat mich umgehauen. Ich rief ihn an, um mich zu bedanken, und er sagte, ich sollte mich gut um den Knaben kümmern. Ich glaube, er war verlegen. Können Sie sich Barry Stark verlegen vorstellen?«
»Nein«, stimmte Wetzon zu.
»Ich habe den Kunden noch«, meinte Laura Lee nachdenklich.
»Wie merkwürdig für ihn, so etwas zu tun.«
»So merkwürdig auch wieder nicht. Er wußte, ich würde den Mann nicht ruinieren.«
Laura Lee öffnete die Tür zum Century 21, und sie betraten ein Geschäft, das auf den ersten Blick wie ein Ramschladen aussah. Kunden, größtenteils Frauen, drängten sich zwischen den Warenstapeln. Eine untersetzte Frau mittleren Alters und ein ihr wie aus dem Gesicht geschnittener Teenager gingen systematisch die Schuhkartons durch, die in schwankenden ungleichen Reihen an einer Wand aufgestapelt waren. Tische quollen über vor Ware, und Frauen kämpften mit den Ellbogen um gute Plätze.
»Ah, hier sind wir richtig.« Laura Lee begann, energisch einen Tisch mit Seidenwäsche durchzukämmen. »Sind die nicht prachtvoll?« Sie hielt ein rosa Hemdchen hoch, an dem noch das Christian-Dior-Etikett war. »Wetzon, das ist für Sie reserviert. Ihre Größe. Beschenken Sie
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